Technisch vermittelte Entkörperlichung - Emanzipation oder Risiko?
Christian Fuchs
Abstract
Entkörperlichung zeigt sich heute vor allem in der
Prothesisierung des Menschen, der Humanisierung des Roboters und
der Ersetzung verkörperlichter, d.h. lebendiger Arbeit, durch
tote Arbeit. Sie wird vermittelt durch neue Informations-,
Kommunikations-, Gen-, Reproduktions- und Biotechnologien.
Vertreterinnen des postmodernen Feminismus wie Sadie Plant und
Donna Haraway verknüpfen mit den technischen Veränderungen die
Hoffnung auf Emanzipation von patriarchalen Verhältnissen. Damit
argumentieren sie jedoch technikdeterministisch und lassen außer
Acht, daß das kapitalistische Patriarchat auf Ausbeutungs-,
Klassen- und Herrschaftsverhältnissen basiert. Emanzipation kann
daher nur als gesellschaftlicher Prozeß verstanden werden und
nicht auf eine technische Dimension reduziert werden.
Die postmodernistische Theorie betont die Differenz
unterdrückter Gruppen und landet damit bei einer Vielfalt ohne
Einheit. Berechtigterweise kritisiert sie eine Einheit ohne
Vielfalt, läßt jedoch eine dialektische Postition der Einheit
in der Vielfalt im Bezug von Kulturen und unterdrückten Gruppen
aufeinander außer Acht.
Beim Postmodernismus besteht die Gefahr, daß Politik rein
kulturalistisch als Lebensstilpolitik, Identitätspolitik und
symbolische Repräsentationspolitik aufgefaßt wird. Dies zeigt
sich an Hand des Ansatzes von Judith Butler. Ausgeblendet wird
dabei die Notwendigkeit politischer Emanzipation von
Klassenverhältnissen, Politik wird auf den Bereich der Kultur
reduziert.
Das kapitalistische Weltsystem kann sich nur durch die Schaffung
von Milieus der ursprünglichen Akkumulation permanent
reproduzieren. Als solche Milieus können in der heutigen
postfordistischen Phase des Kapitalismus die patriarchale
Produktionsweise, die "Dritte Welt", prekär
Beschäftigte und rassistische Produktionsverhältnisse
betrachtet werden.
Ein marxistischer Feminismus kann sich vom
Nebenwiderspruchsdenken und von mechanistischen
Basis-Überbau-Modellen lösen und die Ausbeutung und
Beherrschung von Frauen im kapitalistischen Patriarchat als
Klassenverhältnis betrachten sowie die ökonomische, politische
und kulturell-ideologischen Komponenten dieses
Klassenverhältnisses analysieren und kritisieren.
Technik ist im kapitalistischen Patriarchat ein Herrschafts- und
Kontrollmittel. Daher ist es sinnvoll, den postmodernen
EmanzipationsdenkerInnen kritische Argumente gegenüberzustellen,
die davon ausgehen, daß Entkörperlichung und neue Technologien
eine Verschärfung der Beherrschung und Ausbeutung mit sich
bringen. Solche Kritiken wurden vor allem im marxistischen und
radikalen Feminismus formuliert. Dabei besteht jedoch die Gefahr,
in geschlechtsspezifische Typisierungen, die eigentlich
charakteristisch für die Ideologie der bürgerlichen
Gesellschaft sind, zu geraten. Dies ist in radikal- und
ökofeministischen Ansätzen häufig der Fall. Dabei wird auch
Technik als inhärent patriarchal und herrschaftsförmig
betrachtet. Ein solcher Technikreduktionismus führt aber zu
Argumentationen, die eine Gesellschaft ohne Technik verlangen,
die auf angeblich typisch "weiblichen Werten" basiert.
Im Zusammenhang mit neuen Technologien bestehen z.B. die Gefahr
der Kapitalisierung des Körpers als Profitquelle, die Gefahr
einer neuen Eugenik, die Gefahren der Züchtung besonders
ausbeutbarer Menschen, der totalen Kommodifizierung weiblicher
Körper und der Enteignung der Frau von der Selbstbestimmung
über ihren Körper. Besonders in einer kapitalistischen
Gesellschaftsformation, die die Ökonomie über den Menschen
stellt und an der Logik und Totalität der Kapitalakkumulation
und Verwertung orientiert ist, sind diese Gefahren realistisch.
Technik ist weder interessensneutral, noch grundsätzlich ein
Dämon. Sie steht in einem wechselseitigen dialektischen
Verhältnis zur Gesellschaft. In unserer heutigen
patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft ist die Technik eine
patriarchal-kapitalistische. Eine Aufhebung der bestehenden
gesellschaftlichen Verhältnisse kann jedoch als Basis für die
Entwicklung einer am Menschen orientierten Technik betrachtet
werden.
Der technische Eingriff in die Körperlichkeit des Menschen (und
dabei vor allem der Frau) bedeutet heute eine neue Qualität
bestehender Ausbeutungs-, Herrschafts- und Klassenverhältnisse.
1. Einleitung: Die Entkörperlichung des Menschen und deren Gefahren
Die Prothesierung des menschlichen Körpers, d.h. die Substitution von Körperteilen und Organen durch maschinelle Anwendungen, und die Nachbildung des Menschen durch Computer und Roboter schreitet immer weiter voran. Welche Entwicklungen sind mittelfristig realistisch, welche utopisch? Welche Probleme der ethischen Grenzen von Wissenschaft und Technik werden dabei aufgeworfen? Was bedeutet all dies für die feministische Theorie und Politik, die immer noch mit der Konstruktion von Typisierung sowie von Ein- und Zuschreibungen spezifischer Eigenschaften in weibliche Körper in einer patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft konfrontiert sind?
Das sich heute verändernde Verhältnis von menschlichem
Körper und Maschine zeigt sich vor allem in drei Bereichen:
1. der Prothesisierung des Menschen
2. der Humanisierung des Roboters
3. der Ersetzung verkörperlichter, d.h. lebendiger Arbeit, durch tote Arbeit
Im ersten Fall handelt es sich nicht mehr ausschließlich um Negativvisionen aus der Cyberpunkliteratur, positiv besetzten Visionen einer entkörperlichten "Post-Gender-World" (Donna Haraway) oder fiktiven filmischen Cyborgfiguren wie in Total Recall, Bladerunner, Terminator oder Robocop. Vielmehr hat die Verwandlung des Menschen in einen kybernetischen Organismus durch den technischen Eingriff in die Körperlichkeit auch heute eine konkrete Bedeutung bekommen. Dies zeigt sich z.B. in der Form von künstlichen Organersätzen oder -zusätzen, der Gen- und Reproduktionstechnologie oder der direkten Verkopplung von Mensch und Maschine. Der Einbau von mechanischen oder elektronischen Komponenten in den menschlichen Körper ist heute medizinischer Alltag. Im Juni 2000 wurde beispielsweise am Chicago Medical Center einem Menschen die erste künstliche Netzhaut ASR ("Artificial Silicon Retina") implantiert (Telepolis, 4.7.2000). Einem Blinden wurde ein Mikrochip ins Gehirn eingebaut. Mit Hilfe einer Cyberbrille, in die eine Kamera eingebaut ist, werden Bilder wahrgenommen, anschließend von einem Computer digitalisiert und ins Gehirn geschickt. Dazu ist jedoch die Verbindung des Mikrochips im Gehirn mit dem Computer durch ein Kabel notwendig. So kann der Blinde Umrisse und Schatten erkennen (Die Welt, 19. 01. 2000). William Dobelle hat u.a. ein solches System der Artificial Vision erschaffen.
Der zweite genannte Bereich ist eng verknüpft mit den Entwicklungen und Fortschritten in der Artificial Intelligence (AI) und im Artificial Life (AL). Nach Langton (1989) ist Artificial Life (AL) "the study of man-made systems that exhibit behaviors characteristic of natural living systems". Es gehe nicht nur darum, zu beobachten, wie Eigenschaften lebendiger Systeme in AL-Systemen emergieren ("life-as-we-know-it", Leben, wie es ist), sondern auch um die theoretische Beobachtung künstlichen Lebens, um Rückschlüsse darüber, wie Leben sein könnte, auf natürliches Leben zu ziehen ("life-as-it-could-be", Leben, wie es sein könnte). Langton hat einen zellulären Automaten (CA) programmiert, dessen Agenten sich selbst reproduzieren. Diese CA zeigen Phasenübergänge, an denen chaotische Attraktoren auftreten. Langton meint nun, daß dabei nicht vorhersehbare Signale auftreten. Die simulierten Phasenübergänge wären äquivalent zu jenen in lebendigen Systemen. Daher habe er tatsächliches Leben erzeugt. Maturana und Varela (1984) haben gezeigt, daß lebendige Systeme sich selbst reproduzieren können. Diese Eigenschaft kann ein Computerprogramm jedoch niemals aufweisen, da es immer auf einem Rechner abläuft, der einer mechanistischen Kausalität (d.h. Ursachen und Wirkungen können einander eindeutig zugeordnet werden) folgt. Die Selbstreproduktion von Agenten in einer Computersimulation ist mit jener von organischen Zellen nicht vergleichbar, da sie abhängig von einer Energiezufuhr in den Computer ist. Daher kann nicht von der Selbstreproduktion einer Maschine oder darauf ablaufender Programme gesprochen werden. Technische Artefakte sind nicht mit Menschen vergleichbar, sondern es bestehen qualitative Unterschiede. Fähigkeiten wie zweckorientiertes Handeln, Selbstbewußtsein, Rationalität oder Gefühle sind spezifisch für den Menschen. Dadurch unterscheidet er sich von allen anderen Systemen. Maschinen und soziale Organisationen (1) sind keine lebendigen Systeme, sie können sich nicht autonom selbst reproduzieren wie autopoietische Organismen.
Wesentliche Fragen, die sich für AI und AL stellen, sind, ob
ein Computer menschenähnliches Verhalten zeigen kann und ob der
menschliche Geist technisch simulierbar ist. Seit jeher war in
der AI von Bedeutung, ob Gehirn und Computer vergleichbar sind,
ob das Gehirn als Maschine aufgefaßt werden kann oder ein
Computer jemals denken können wird. Dabei spielt der Turing-Test
eine Rolle, der besagt, daß eine Maschine dann intelligent ist,
wenn ein Mensch mit ihr kommuniziert, ohne zu bemerken, daß es
sich um eine Maschine handelt. Anfang der 80er-Jahre wurde diese
Sichtweise jedoch durch John Searles Chineschisches Zimmer
herausgefordert. Dadurch wurde klar, daß ein Computer immer nur
Anweisungen befolgt, aber niemals so etwas wie Bedeutungen oder
pragmatische Zeichenaspekte verstehen kann. Daher ist menschliche
nicht mit maschineller Intelligenz vergleichbar. Intelligenz ist
m.E. immer mit einer Einheit von syntaktischen, semantischen und
pragmatischen Aspekten verbunden und setzt außerdem Gefühle,
Selbstbewußtsein und die Fähigkeit der individuellen Normen-
und Wertbildung voraus.
Immer wieder gibt es Versuche, intelligente Computerprogramme
herzustellen, mit denen Menschen interagieren können. Ein
Beispiel ist Joseph Weizenbaums Psychoanalyseprogramm ELIZA, ein
anderes der Multi User Dungeon (MUD)-Robot Julia. Es zeigt sich
heute, daß diese künstliche Intelligenz oftmals überschätzt
wird und nicht annähernd mit menschlicher vergleichbar ist: Alan
Turing meinte 1950, daß es im Jahr 2000 Computer geben wird, die
70 Prozent der Menschen, mit denen eine Interaktion erfolgt,
davon überzeugen, daß sie menschlich sind. Der tatsächliche
Forschungsstand ist weit davon entfernt. Es mag spannend sein,
sich mit so einem Programm zu unterhalten und es zu testen.
Man/Frau sollte sich aber mit Searle immer wieder vor Augen
halten, daß diese künstliche Intelligenz sich ganz wesentlich
von der menschlichen unterscheidet und daß daher die
Mensch-KI-Interaktion keine soziale Interaktion darstellt, da
diese immer humane Akteure benötigt.
Nichtsdestotrotz haben heute viele AI-ForscherInnen das Ziel,
"menschliche Roboter" zu erschaffen. So meint z.B.
Rodney Brooks: "Ich möchte völlig autonome mobile Agenten
erschaffen, die in der Welt mit Menschen koexistieren und die von
Menschen als eigenständige intelligente Wesen betrachtet
werden" (Brooks 1987, S. 7). Marvin Minksy (1994) beschreibt
ein KI-System, in dem menschenähnliche Agenten vorkommen. Er
nimmt an, daß der Geist aus maschinellen Agenten zusammengesetzt
werden kann: "Jeder mentale Agent ist für sich allein
genommen nur zu einfachen Tätigkeiten fähig, die weder Geist
noch Denken erfordern. Wenn wir diese Agenten jedoch auf eine
ganz bestimmte Weise zu Gesellschaften zusammenfassen, ist das
Ergebnis echte Intelligenz" (Minsky 1994, S.17). Der Mensch
ist für Minsky folglich ein Computer, der Geist also eine
Maschine. Es sei nur mehr eine technische Frage, Computer mit
Bewußtsein und Gefühlen zu entwickeln.
Minsky argumentiert klassisch reduktionistisch. Intelligenz sei
auf einzelne Teile zurückführbar. Seine Gleichsetzung von
Mensch und Maschine zeigt sich schon daran, daß er den Inbegriff
der Soziologie (Gesellschaft) für die Beschreibung des
Zusammenwirkens von technischen Einheiten benutzt. Er betrachtet
dies allerdings als völlig unproblematisch, die damit
verbundenen Gefahren wie eine Abwertung von Humanismus, einen
Freibrief für biopolitische Experimente und daher in letzter
Konsequenz der Eugenik und der rassistischen Vernichtung sowie
die Gefahr deren Legitimierung sieht er nicht. Werden Mensch und
Maschine gleichgesetzt und die qualitativen Unterschiede
wegdefiniert oder geleugnet, so stellt sich das Problem, daß
damit vermittelt wird, daß mit Menschen umgegangen werden darf
wie mit Maschinen: Sind sie alt oder nicht mehr
"leistungsfähig", so werden sie "entsorgt".
Werden spezielle oder äußerst effiziente Fähigkeiten
benötigt, so werden diese technisch hergestellt. Was all dies
auf den Menschen bezogen bedeuten kann, entspricht
Horrorvisionen, die an den Faschismus erinnern können.
Minsky betrachtet den Menschen als ein Mängelwesen, unperfekt
und im Vergleich zu Computern äußerst langsam. Um dies zu
beheben, schlägt er vor, Mikrochips ins Gehirn zu verpflanzen,
die von den Menschen umprogrammiert werden können, um ihr Denken
zu verändern. Psychische Probleme könnten damit vermieden
werden. Eine solche Argumentation vernachlässigt, daß
psychische Probleme aus gesellschaftlichen Verhältnissen
entspringen. Es geht bei Minsky nicht um gesellschaftliche
Veränderung, sondern um die Manipulation des menschlichen
Denkens, um die Zunahme psychischer Probleme in einem
kapitalistischen Weltsystem mit immer größer werdenden globalen
Problemen mittels einem psychischen Wegschmelzen dieser Probleme
einzudämmen. Individuelle Probleme, die in einem Verhältnis zu
gesellschaftlichen stehen, sollen nicht in der realen Welt
gelöst werden, sondern die Menschen sollen psychisch an die
immer prekärer werdenden sozialen Verhältnisse angepaßt
werden. Damit kann auch die Vorstellung verbunden werden, daß
Minsky grundsätzlichen sozialen Wandel durch die direkte
Manipulation des menschlichen Gehirns verhindern will.
Ähnlich wie Minsky beschreibt auch Valentin Braitenberg, wie
seiner Ansicht nach durch technische Synthese einfacher Teile
"Wesen" hergestellt werden können, die dem Mensch samt
Geist und Bewußtsein ähnlich sind. Aus mobilen Robotern werden
in dieser Beschreibung Menschen. Braitenberg nimmt an, daß sich
aus Motoren, Sensoren und diversen fiktiven Materialien,
menschenähnliche Organismen herstellen lassen. Die 14
beschriebenen Wesen bauen aufeinander auf und werden immer
komplexer. Wie Minsky nimmt Braitenberg an, der menschliche
Organismus sei auf einzelne technische Bauteile reduzierbar.
Auch Hans Moravec (1990) vertritt ähnliche Ansichten wie Minsky.
Der Mensch werde in Zukunft von Robotern ersetzt, menschliche
Intelligenz durch künstliche substituiert. Dadurch werde der
Mensch unsterblich. "Wir Menschen werden eine Zeitlang von
ihrer Arbeit [jene der Roboter, Anm. CF] profitieren. Doch über
kurz oder lang werden sie, wie biologische Kinder, ihre eigenen
Wege gehen, während wir, die Eltern, alt werden und
abtreten" (Moravec 1990, S. 13). Der menschliche Geist
könne in naher Zukunft auf Maschinen übertragen werden. Ein
Roboterchirurg müsse dazu die Schädeldecke eines Menschen
öffnen und das Gehirn schichtweise abtragen und mit Sensoren
abtasten. So sei es möglich, die Kognition eines Individuums auf
einen Roboter zu übertragen.
In der Cyberpunk-Literatur hatten solche Vorstellungen noch einen
kritischen Unterton und konnten als Warnung vor Entwicklungen
verstanden werden, die die Menschheit durch technischen
Fortschritt in den Faschismus zurückversetzen. Bei Moravec
handelt es sich nicht um Fiktion, sondern um ernsthafte
wissenschaftliche Ansichten. Jede kritische Überlegung ist
allerdings verschwunden.
Auch im Konnektionismus, der davon ausgeht, daß Kognition ein
emergentes Phänomen der neuronalen Aktivitäten darstellt, wird
der Computer mit dem Menschen verglichen. Sowohl das Verhalten
des Gehirn als auch jenes der neuronalen Netze folge keiner
deterministischen Logik, sondern zeige unvorhersehbare Aspekte.
Diese emergente AI sieht also keinen wesentlichen Unterschied
zwischen Mensch und Maschine.
Für die AI war und ist die wesentliche Frage, ob ein Computer
intelligent ist bzw. sein kann. AL setzt dies bereits voraus und
fragt sich ernsthaft, ob Maschinen zum Leben erweckt werden
können. Das Gebiet des AL stellt in Frage, daß Maschinen und
Computerprogramme nicht lebendig sein können.
Die neuesten Entwicklungen aus der AI reden einer radikalen
Entkörperlichung das Wort. Der menschliche Körper gilt als
vergänglich, in letzter Konsequenz könne der Computer an seine
Stelle treten und auch den Geist substituieren. Gefahren solcher
Argumentationen werden nicht ausreichend berücksichtigt, sondern
Entwicklungen in Richtung einer - um es mit Aldous Huxley
auszudrücken - "schönen neuen" Cyborg-Welt das Wort
geredet.
Zum dritten Bereich: Gesellschaftliche Arbeit ist grundsätzlich
an den menschlichen Körper gebunden. Mit der Entwicklung der
Produktivkräfte kommt es jeder zu einer voranschreitenden
Entkörperlichung der Arbeit. Durch immer weitere technologische
Entwicklungen wird immer mehr menschliche Arbeit durch Maschinen
ersetzt. Dies ergibt sich aus der kapitalistischen Zwangslogik,
immer effizienter zu produzieren, d.h. immer mehr in immer
kürzerer Zeit herzustellen. Marx hat dies als relative
Mehrwertproduktion beschrieben: Durch immer produktivere
Maschinen wird immer mehr in immer kürzerer Zeit hergestellt.
Durch die Produktivkraftentwicklung wird die gesellschaftlich
notwendige Arbeit immer stärker reduziert. Lebendige Arbeit wird
also immer stärker durch tote Arbeit in der Form von Maschinen
und konstantem Kapital ersetzt. Da aber die lebendige Arbeit die
einzige Quelle des produzierten Mehrwerts sein kann, führt also
die Produktivkraftentwicklung der lebendigen Arbeit zur
Zersetzung der Basis der Wertproduktion. Hier zeigt sich also
auch ein Widerspruch zwischen lebendiger und
vergegenständlichter Arbeit (vergegenständlichte ersetzt
lebendige und damit die Basis des Werts). Im Lauf der
kapitalistischen Entwicklung steigt die tote Arbeit im
Verhältnis zur lebendigen. Dies ist eine langfristige Tendenz,
die sich gerade auch in der heutigen Phase des Kapitalismus
äußert. Marx brachte diesen Widerspruch in den Grundrissen
folgendermaßen auf den Punkt: "Das Kapital ist selbst der
prozessierende Widerspruch dadurch, daß es die Arbeitszeit auf
ein Minimum zu reduzieren strebt, während es andrerseits die
Arbeitszeit als einziges Maß und Quelle des Reichtums
setzt" (Marx 1857/58, S. 601).
Dieser Widerspruch kann als eine Ursache der Tendenz des Falls
der Durchschnittsprofitrate angesehen werden. Steigt die
organische Zusammensetzung des Kapitals (also das Verhältnis von
konstantem und variablem Kapital) im Rahmen der
Produktivkraftentwicklung, so kann dies auf Grund dieses
Antagonismus negativ auf die Mehrwertproduktion wirken. Daraus
ergibt sich dann ein Fall der Durchschnittsprofitrate. Die
Entkörperlichung der Produktion setzt sich also im Kapitalismus
krisenhaft durch. Die Ersetzung von lebendiger durch
vergegenständlichte Arbeit und damit das Voranschreiten einer
tendenziellen Unabhängigkeit der Produktion vom menschlichen
Körper hat im Kapitalismus die Konsequenz, daß sie zu den
strukturellen polit-ökonomischen Krisen und den sich daraus
ergebenden gesellschaftlichen Problemen wie Arbeitslosigkeit und
Armut beiträgt.
Obwohl diese Substitution existiert und immer weiter
voranschreitet, ist eine Vollautomatisierung prinzipiell
unmöglich, da Maschinen in letzter Instanz nur vom Menschen in
Stand gehalten werden können und gewisse Arbeiten wie
beispielsweise im sozialen Bereich sinnvollerweise niemals von
Maschinen übernommen werden sollten. Daher läßt sich mit Klaus
Fuchs-Kittowski festhalten: "Der Mensch [...] [ist] die
einzige kreative Produktivkraft [...] und [kann] daher nicht
gefahrlos wegrationalisiert werden [...]. Die Auswirkungen einer
solchen mangelnden Beachtung des Leistungs- und Wissenspotential
der Menschen und ihrer kreativen Fähigkeiten sind heute kaum
abzusehen" (2)
(Fuchs-Kittowski i.E.).
Es stellt sich nun die Frage, wie realistisch diese Bilder der
Entkörperlichung, die in der Cyberpunkliteratur, der Science
Fiction und von TheoretikerInnen wie Minsky, Braitenberg und
Moravec beschrieben werden, als reale gesellschaftliche
Entwicklungen kurz- und mittelfristig sind.
Mittermayer und Klosterhalfen (2000) rücken alle Überlegungen
in Richtung der Kreation eines "künstlichen Menschen"
als utopisch in weite Ferne. Implantationen und Transplantationen
seien zwar heute in der Medizin an der Tagesordnung und werden
auch in Zukunft weiterentwickelt und verbessert werden, ein
künstlicher Mensch setze jedoch auch künstliches Bewußtsein
voraus. Und da heute völlig unklar ist, was Bewußtsein genau
sein soll, würde der künstliche Mensch "nicht so schnell
Wirklichkeit" werden (Mittermayer/Klosterhalfen 2000, S.
23).
Daele (2000) betont, daß Vorbehalte gegen neue Technolgien meist
nur solange bestehen, bis betont wird, daß sie medizinischen
Fortschritt mit sich bringen: "Die moralischen Vorbehalte
gegen die Technik gaben regelmäßig nach, wenn es darum geht,
menschliches Leben zu erhalten oder das Leid einer Krankheit zu
mildern" (Daele 2000, S. 25). Das Problem besteht nun darin,
daß oft versucht wird, den Einsatz als problematisch zu
erachtender Technologien durch Spezialfälle der Anwendung zu
rechtfertigen. Reproduktionstechnologie soll so z.B. mit dem
Kampf gegen Unfruchtbarkeit legitimiert werden, Gentechnologie
mit dem vorgegebenen Kampf gegen Armut etc. Gleichzeitig wird
betont, daß Mißbrauch gesetzlich zu unterbinden sei. In der
kapitalistischen Gesellschaft ist es nun aber der Fall, daß die
Kapitalakkumulation einen ökonomischen Zwang darstellt, der alle
Lebensbereiche durchdringt und an dem in einem gewissen Ausmaß
das Geschehen in den einzelnen gesellschaftlichen Subsystemen
orientiert wird. Daher ist beim Einsatz von Technologien, die den
Körper des Menschen manipulieren, immer auch die
"Wirtschaftlichkeit" ein wesentliches Moment. Daraus
ergeben sich konkrete Gefahren wie eine neue Eugenik, die
Züchtung von besonders ausbeutbarem und widestandslosem Material
der Ausbeutung für das Kapital, die weitere Kommodifizierung des
Körpers, rassistische sowie faschistische
bevölkerungspolitische Maßnahmen etc. All dies sollte besonders
in einer neoliberal durchkapitalisierten kapitalistischen
Gesellschaftsordnung als gefährlich erachtet werden.
Medizin und Forschung sind nicht ausschließlich am allgemeinen
Wohl der Menschheit interessiert, sondern sind Teil des
kapitalistischen Weltsystems und daher auch Mittel zur
Durchsetzung der Interessen herrschender ökonomischer Klassen.
Die Linderung menschlichen Leids in Einzelfällen ist im
Kapitalismus eben oftmals ideologisches Mittel, um die
tatsächlichen Gefahren neuer Technologien zu verschleiern und um
diese für die effiziente Organisierung der Kapitalherrschaft
nutzbar zu machen. Heute wird konkret über die
"Optimierung" der Kosten des Gesundheitswesen, über
bevölkerungspolitische Maßnahmen zur Eindämmung der
angeblichen "Bevölkerungsexplosion" oder über das
Klonen von Tieren (vorerst!) diskutiert. Die liberal gesinnten
Schreie nach der Zivilisierung der dabei verwendeten Technologien
werden spätestens dann verstummen, wenn die angeblichen großen
Vorteile der Humantechnologie durch die Medienmaschinerie noch
viel intensiver ins Bewußtsein der Menschen dringen. Die
Durchsetzung der herrschenden ökonomischen Interessen braucht
immer ideologische Rückendeckung, damit das Bewußtsein der
Menschen massenhaft nivelliert und hergestellt werden kann und
sich diesen Interessen willenlos beugt. Es ist unter den
herrschenden polit-ökonomischen Verhältnissen nicht
auszuschließen, daß mittelfristig die "Entsorgung"
nicht mehr verwertbarer und ausbeutbarer, d.h. kranker, alter
oder schwacher, humaner Körper sowie die ökonomisch effektive
Kreation neuer Körper an der Tagesordnung stehen wird. Ein
Gesellschaftssystem, das permanent mit dem Leben von Menschen
spielt und zur Prekärisierung der Lebensverhältnisse immer
größerer Teile der Weltbevölkerung führt, wird keine
moralischen Bedenken vor ökonomische Interessen stellen. Daher
ist auch die Rede von der Eindämmung der Mißbrauchsgefahren
neuer Technologien durch den Staat eigentlich hinfällig, da der
Staat zwar nicht - wie in den meisten STAMOKAP-Theorien behauptet
- direkt der verlängerte Arm der Kapitalinteressen ist, aber
nichtsdestotrotz einen Kristallisationspunkt der herrschenden
ökonomischen Klasseninteressen darstellt, durch den sich eine
Einheit der fragementierten und fraktionierten Bourgeoisie
herstellen kann (vgl. Poulantzas 1978).
Die Gefahr einer neuen Eugenik kann nicht einfach als
Übertreibung abgetan werden, denn heute sprechen beispielsweise
immer mehr Ärzte von der Euthanasie von "zu teuren"
Kranken oder es wird in wissenschaftlichen Kreisen ernsthaft
über faschistoide bevölkerungspolitische Maßnahmen diskutiert.
So sprach sich z.B. Peter Sloterdijk bei einer Veranstaltung zur
Kritik des Humanismus durch den nationalsozialistischen
Paradephilosoph Martin Heidegger für eine vorgeburtliche
Selektion aus: "Ob aber die langfristige Entwicklung auch zu
einer genetischen Reform der Gattungseigenschaften führen wird -
ob eine künftige Anthropotechnologie bis zu einer expliziten
Merkmalsplanung vordringt; ob die Menschheit gattungsweit eine
Umstellung vom Geburtenfatalismus zur optionalen Geburt und zur
pränatalen Selektion wird vollziehen können - dies sind Fragen,
in denen sich, wie auch immer verschwommen und nicht geheuer, der
evolutionäre Horizont vor uns zu lichten beginnt"
(Sloterdijk 1999, S. 15)
Und natürlich werden da Erinnerungen wachgerufen an die
faschistische Vernichtung von als nicht "lebenswert"
bezeichnetem Leben. Gerade im thematischen Kontext der
Veranstaltung, denn Heidegger war Philosoph der
nationalsozialistischen Massenvernichtung. Heideggers
Idealisierung des Todes und des Nichts waren eine philosophische
Dimension des Naziterrors. Auschwitz steht symbolisch für das,
was Heidegger in seiner Philosophie herbeisehnte. Die bei den
Massenvernichtungen Ermordeten waren für Heidegger vielleicht
auch nichts anderes als "Platzhalter des Nichts", deren
"Sein zum Ende und zum Tode" gekommen ist. Die Nazis
und in ihrer Gefolgschaft das österreichische sowie das deutsche
Volk machten Schluß mit der Verdrängung des Todes, ganz so wie
Heidegger es wollte. Der Tod wurde nicht verdrängt oder
hinausgeschoben, sondern durch die Massenvernichtungen und den
Massenmord an Millionen von Menschen durch die Deutschen und
Österreicher in die Realität umgesetzt. Als "nicht
lebenswert", d.h. nicht ökonomisch leistungsfähig,
könnten eben in naher Zukunft z.B. behinderte Kinder eingestuft
werden. Und aus gerade diesem Grund sind Beiträge wie jene von
Sloterdijk so gefährlich. Würden sie nämlich geistige
Hegemonie erlangen, so stünde einer neuen Eugenik tatsächlich
nur mehr wenig im Weg.
In letzter Instanz ist die kapitalistische Produktions- und
Reproduktionsweise immer mit Körperkontrolle verschränkt. Es
geht dabei immer um die Beherrschung und Ausbeutung von
Individuen, eine Basis dabei stellt deren körperliche Arbeit
dar. Dies bezieht sich nicht nur auf Männer und Frauen in
Lohnarbeitsverhältnissen, sondern vor allem auch auf die meist
weibliche Reproduktionsarbeit, also auf die patriarchale
Dimension des Kapitalismus. Der weibliche Körper wird dabei
naturalisiert, und es werden ihm angeblich typische weibliche
Tätigkeiten eingeschrieben. Und diese sind eben zumeist
unbezahlt oder schlecht bezahlt, ohne soziale Absicherung und
ohne Möglichkeit der gewerkschaftlichen Organisation - d.h.
besonders ausbeutbar. Agent dieser Ausbeutung ist nicht nur das
Kapital, sondern auch der männliche Lohnarbeiter, der sich nur
dadurch reproduzieren kann, daß diese Arbeit von Frauen
unbezahlt ausgeführt wird. Der männliche Lohnarbeiter ist
dreifach "frei": Frei von den Produktionsmitteln, mit
denen er arbeitet, und den Produkten, die er herstellt.
"Frei", seine einzige Ware, die Arbeitskraft, auf den
Arbeitsmarkt zu schmeißen. Und frei von der Haus- und
Reproduktionsarbeit, die zumeist von den Frauen übernommen wird (3). Damit haben wir nun den
Kontext zum Verhältnis von Körper und der Rolle weiblicher
Arbeit im Kapitalismus hergestellt. Bedeuten die Entwicklungen in
der Humantechnologie die Chance auf Emanzipation aus
patriarchalen Verhältnissen? Oder verschärfen sich dadurch
bestehende Herrschaftsverhältnisse, in denen Frauen ausgebeutet
werden? An Hand der Diskussion verschiedener Ansätze sollen nun
die diversen feministischen Auffassungen zu diesen Fragen
diskutiert werden.
2. Entkörperlichung als Emanzipation vom kapitalistischen Patriarchat?
Donna Haraway: Entkörperlichte Cyborgs
Eine wesentliche Vertreterin des Gedankens der Emanzipation
durch Entkörperlichung ist die postmoderne Feministin Donna
Haraway, die den Begriff des/der Cyborg(s) geprägt hat (siehe
Haraway 1995a, 1996, 1997; zur Kritik z.B. Fuchs 1998):
"Cyborgs sind kybernetische Organismen, Hybride aus Maschine
und Organismus, ebenso Geschöpfe der gesellschaftlichen
Wirklichkeit wie der Fiktion" (Haraway 1995a, S. 33).
Cyborgs sind also Mischungen aus Maschinen und Menschen, die es
derzeit tatsächlich und in Vorstellungen oder Zukunftsvisionen
gibt. Dies deutet auch bereits Haraways Faible für Science
Fiction an. In der Science Fiction gibt es unzählige Cyborgs,
beispielsweise die Borgs bei Star Trek. Derzeit käme es
beispielsweise in Militär, Medizin oder in der Form von Cybersex
zur Überschreitung der Grenze zwischen Mensch und Maschine. Mit
der Cyborgmetapher versucht Haraway Veränderungen in unserer
Gesellschaft zu beschreiben und Vorstellungen über die Zukunft
zu entwickeln. Dazu gehört die Vorstellung, daß Cyborgs
"Geschöpfe in einer Post-Gender-Welt" (Haraway 1995a,
S. 35) sind. Es geht ihr also um die Auflösung der Grenze
zwischen Mann und Frau, da unter den herrschenden Bedingungen
Gender als soziales Geschlecht eine Kategorie sei, entlang derer
sich Ungleichheiten manifestieren. Es geht ihr also um eine
Vision, in der diese Ungleichheiten, die Unterdrückung und
Diskriminierung von Frauen zu Folge haben, aufgehoben sind.
"Es geht darum zu lernen, uns daran zu erinnern, daß wir
[...] körperlich immer noch anders werden können" (Haraway
1996, S. 365). Mit den technologischen Entwicklung, die immer
stärker zu einer Entkörperlichung führen, ist auf Grund der
hybriden Identität der Cyborgs - d.h. der Unmöglichkeit einer
geschlechtlichen Zuordnung - bei Haraway die Vision einer
Gesellschaft ohne geschlechtsspezifische Unterdrückung
verbunden.
Der Begriff des/der Cyborg(s) wurde von Clynes/Kline (1960)
geprägt. Sie dachten, daß für die Raumfahrt Hybride aus Mensch
und Maschine notwendig seien, damit diese in außerirdischen
Welten überleben können. Cyborgs seien "self-regulating
man-machine-systems".
Evelyn Fox Keller (1996a) weist darauf hin, daß bereits Norbert
Wiener über die Austauschbarkeit von Organismen und Maschinen
sprach. Eine Verkettung von Mensch und Maschine stellte er sich
vor, indem er davon sprach, daß es "theoretisch möglich
[sei], ein menschliches Wesen durch eine Telegraphenleitung zu
schicken" (Wiener 1964, S. 35). Durch die neuen
technologischen Entwicklungen in den Bereichen der Virtual
Reality, des Artificial Life und der Biotechnologie, so Fox
Keller, komme der Mensch dieser Vision Wieners ein Stück näher.
Die Computertechnologie bringe eine Entkörperlichung mit sich:
"Im späten 20. Jahrhundert ist es der Computer, der unsere
Vorstellungskraft beherrscht, und der uns von diesem sonderbaren
Ausdruck, daß der Mensch einen Körper habe, befreit" (Fox
Keller 1996a, S. 329).
Als wesentliche Thesen aus Haraways "Manifest für Cyborgs" lassen sich folgende festhalten:
Sowohl marxistischer als auch radikaler Feminismus analysieren die Unterdrückung von Frauen nur an Hand von sehr engen Kategorien (Klasse/Lohnarbeit im ersten Fall, Sexualität im zweiten) und grenzen sich von anderen Richtungen ab. Eine Einheit sei aber in der derzeitigen gesellschaftlichen Situation mehr als notwendig.
Eine solche Einheit könne unter der Verwendung der Cyborg-Metapher geschaffen werden, da es damit möglich sei, Veränderungen von Klasse, Rasse und Gender zu analysieren und so umfassende politische Identitäten zu schaffen.
EinE Cyborg überschreitet Grenzen, ist ein Hybrid aus Mensch und Maschine.
Durch Biotechnologie und neue Kommunikationstechnologien wird der "rassistische, männlich dominierte Kapitalismus" (Haraway) so verändert, daß eine "Informatik der Herrschaft" entsteht, in der Frauen mit neuen Formen der Unterdrückung konfrontiert sind. Vernetzung wird dabei zu einem immer wichtigeren Moment. Durch die neuen Technologien verwischen sich zunehmend die Grenzen zwischen Mensch und Maschine.
Die feministische Science Fiction liefert Erzählungen, die Basis für eine Vision einer zukünftigen Cyborg-Gesellschaft ohne Gender sein können, in der es also keine Grenzen und Unterschiede zwischen Mann und Frau und somit auch keine Frauenunterdrückung gibt. Die Arbeit Haraways kann als Vermischung von Theorie und Fiktion gesehen werden.
Worum es in Haraways Arbeit geht, faßt sie in der Formel
Anspruchsloser Zeuge@Zweites Jahrtausend. FrauMann© trifft
OncoMouseTM (so der Titel von Haraway 1996 und 1997)
zusammen: Der anspruchslose Zeuge steht für den bürgerliche
Vernunftmenschen, der Inhalte unkritisch hinnimmt. Ihn will sie
mit ihrer Theorie in seinem Vertrauen in die Moderne stören. In
der Wissenschaft glaube dieser Zeuge an die Existenz einer
objektiven Realität. Das moderne Wissen sei ein typisch
männliches, zum Schutz der bürgerlichen Männlichkeit sei
unmännlich mit unzivilisiert und dunkelheutig mit wild
gleichgesetzt worden. Wissen sei in dieser patriarchalen Moderne
nur Wissen des weißen Mannes. Heute ginge es um Diffraktion, die
Herstellung von Differenzstrukturen (Haraway 1996, S. 361). Die
Dekonstruktion des männlichen Wissens und der männlichen
Wissenschaft seien durch den Aufbau eines situierten Wissens
notwendig (Haraway 1995b): Dies müsse ein Begriff sein, der
"den Standpunkt der Unterworfenen" einnimmt und
"eine Perspektive aus der Position der weniger
Mächtigen" (Haraway 1995b, S. 83) sei. "Unterworfene
Standpunkte werden bevorzugt, weil sie angemessenere,
nachhaltigere, objektivere, transformierendere Darstellungen der
Welt zu versprechen scheinen" (Haraway 1995b, S. 84).
Totalisierung, die Betonung einer einzigen Sichtweise und
Ablehnung anderer Sichtweisen (dies wirft sie dem radikalen und
dem marxistischen Feminismus vor) seien der falsche Weg,
notwendig seien politische Solidaritätsnetzwerke,
"heterogene Vielheiten" (ebd., S. 86) und die
"Verknüpfung partialer Sichtweisen und innehaltender
Stimmen zu einer kollektiven Subjektposition" (ebd., S. 91).
Idealerweise stellt sie sich die Formierung situierten Wissens
ähnlich wie die Methode der Konsensus-Konferenzen vor. Dies ist
ein parizipatorisches und diskursives Verfahren der
Technikfolgenabschätzung. Laien diskutieren mit Experten
relevante Fragen neuer Technologien. Die Laien verfassen danach
ein Gutachten, daß der Öffentlichkeit und dem Gesetzgeber
zugänglich gemacht wird (vgl. Brüchler/Simonis/Sundermann
1999).
Wir finden also in Haraways Begriff des situierten Wissens die
für postmoderne Theorien typische Ablehnung einer
Vereinheitlichung und die Betonung der Differenz. Nur durch die
Diffraktion und das situierte Wissen könne der anspruchslose
Zeuge "zu einer ihrer selbst bewußten, verläßlichen,
antirassistischen FrauMann werden" (Haraway 1996, S. 362).
Das Zweite Jahrtausend und vor allem der Klammeraffe @ davor
steht bei Haraway für gesellschaftliche Veränderungen. Die neue
Technoscience sei deutlich unterschiedlich von der Moderne.
Haraway bezeichnet die gesellschaftlichen Veränderungen, die
durch Bio-, Kommunikations- und Computertechnologie ausgelöst
werden, zwar nicht explizit als Postmoderne, meint aber genau
diese Herangehensweise (vgl. Haraway 1996, S. 367f). Diese
Technologien seien einerseits gefährlich, würden aber
andererseits - so wie das menschliche Genom - eine Chance auf
positive gesellschaftliche Veränderungen bieten.
Unter Technoscience versteht Haraway Netzwerke menschlicher und
nichtmenschlicher Akteure, die durch Technologien Allianzen
bilden (vgl. Haraway 1997, S. 50). Mit diesem Begriff bezieht sie
sich auf den Technikbegriff Bruno Latours, einem Vertreter der
sozialkonstruktivistischen Actor-Network-Theory (vgl. Latour
1987). Diese Theorie sieht Menschen und Nichtmenschliches (wie
z.B. die Technik) als gleichberechtigte Akteuere in Netzwerken
wie der Wissenschaft. Latour meint, der Mensch müsse mit
Maschinen verhandeln und sie als Verbündete rekrutieren. Man
müsse Gesellschaft und Technik nicht getrennt betrachten,
sondern gemeinsam als Soziotechnologie. Es gehe um eine Trennung
der Aufhebungen zwischen Natur/Gesellschaft, Technik/Sozialem und
menschlichen/nichtmenschlichen Akteuren. Da es also auch bei
Latour um die Aufhebung von Trennungen geht, erklärt sich
Haraways positiver Bezug auf diesen Ansatz. Es wird also eine
Gleichwertigkeit menschlicher und nichtmenschlicher Akteure
angenommen.
Mit FrauMann© (4)
meint Haraway ein hybrides Wesen, eine Mischung aus Mann und
Frau, die kein eindeutiges Geschlecht besitzt. FrauMann©
ist also Cyborg und kommt heute vor allem in Science
Fiction-Erzählungen vor. OncoMouseTM war die erste
genmanipulierte Maus, die verläßlich Brustkrebs bekam. Sie war
das erste lebendige Wesen, das in den USA durch ein Patent
geschützt wurde. Daher Trademark. Typisch für die
Biotechnologie sei heute die Herstellung transgener Organismen
durch die Übertragung von Genen einer Art auf eine andere. Dies
stellt Haraway in einen antirassistischen Kontext, da die
Reinhaltung der Körper und der Abstammung Basis rassistischer
Diskurse sei (Haraway 1996, S. 374f; Haraway 1997, S. 60f). Dabei
zeigt sich jedoch, daß Haraway dazu neigt, Kritik an der
Biotechnologie - die sie selbst allerdings auch für notwendig
erachtet - damit abzutun, daß sie KritikerInnen in einen
rassistischen Kontext mit Vertretern der Ideologie einer
"reinen Rasse" stellt (siehe Haraway 1997, S. 61f).
FrauMann© und OncoMouseTM sind beide
Geschöpfe von genetischen Technologien, technisch manipulierte
Körper. Beide, so Haraway, kommen nur durch
Grenzüberschreitungen zustande und ihr Sein bedeute heute, Ware
zu sein. Sie seien zwar Ergebnis der Moderne, aber bereits
Hinweis auf eine postmoderne Welt ohne Frauenunterdrückung und
Unterdrückung im Allgemeinen.
"OncoMouse und FrauMann sind im Schoß der Moderne und der Aufklärung gereift, aber ihre Existenz bringt die Matrix ihres Ursprungs durcheinander. Natur und Gesellschaft, Tier und Mensch: Beide Begriffspaare kollabieren. Die große Trennung zwischen Mensch und Natur sowie ihre Konsequenzen für die Geschlechter, die die Geschichte der Moderne begründete, ist durchbrochen worden [...] Reinheit der Rasse, Reinheit jeder Art, die große weiße Hoffnung der heliozentrischen Aufklärung auf ein wahrhaft autochthones Europa, der Traum des Mannes von der Selbstgeburt - alle wurden von einer Bastard-Maus und einer Ansammlung einander ebenbürtiger, unmännlicher, erfundener Menschen zerstört. Ich finde das sehr erquicklich" (Haraway 1996, S. 385).
Trotz Haraways äußerst positiven Bezug auf die
Gentechnologie, kann nicht davon ausgegangen werden, daß sie die
Gefahren dieser Technologie völlig unkritisch sieht. So prägt
sie beispielsweise den Begriff des Genfetischismus, um sich gegen
die typisch rechte Zuschreibung und Reduktion von menschlichen
Eigenschaften - die sich eigentlich im Rahmen sozialer
Beziehungen herausbilden - auf Gene zu wenden. Solche
Zuschreibungen stellen eine wesentliche Basis des Rassismus dar.
Immer wieder gibt es äußerst gefährliche Beispiele dafür: Vor
einigen Jahren meinten beispielsweise die Autoren der Bell
Curve-Studie, daß Schwarze weniger intelligent seien als Weiße
und sich dies aus genetischen Unterschieden erklären lasse.
Marx gebraucht den Begriff des Fetischismus bei der Beschreibung
des für die bürgerlich-kapitalistisch Gesellschaft typischen
Phänomens, daß Eigenschaften, die aus sozialen Verhältnissen
entspringen, Dingen oder Waren als inhärent zugeschrieben werden
(siehe Marx 1867, S. 85-98). In Anlehnung an Marx spricht nun
Haraway von Genfetischismus, wenn die aus sozialen Beziehungen
entspringenden Charaktereigenschaften eines Menschen auf dessen
Gene reduziert werden (vgl. Haraway 1997, S. 135-148). "The
gene as fetish is a phantom object, like and unlike the
commodity. Gene fetishism involves 'forgetting' that bodies are
nodes in webs of integration, forgetting the tropic quality of
all knowledge claims. [...] But the gene is fetishized when it
seems to be itself the source of all value" (Haraway 1997,
S. 142ff).
Judith Butler: Die Subversion geschlechtlicher Identitäten
Auf andere Art und Weise, aber Haraways Ansatz nicht
unähnlich, hat sich die postmoderne Feministin Judith Butler
(1990) mit der Entkörperlichung auseinandergesetzt. Es sei ein
Fehler, anzunehmen, Frauen hätten einheitliche Eigenschaften und
Interessen. Jede Frau sei ein eigenständiges Individuum. Frauen
würden daher keine einheitliche Gruppe darstellen. Vor allem
schwarze Frauen machten darauf aufmerksam, indem sie auf die
Differenzen der Perspektiven, Identitäten und Erfahrungen
zwischen schwarzen und weißen Frauen aufmerksam machten. Wir
finden also auch bei Butler die typisch postmoderne Betonung von
Differenz. Feminismus soll, so Butler, nicht als eine politische
Bewegung agieren, da dies Einheit und allgemeine Ziele
voraussetze. Dies sei aber nicht möglich, da jede Frau
einzigartig sei und es nicht ausschließlich einen einzigen
Feminismus geben könne.
Die im Feminismus gebräuchliche Unterscheidung zwischen
biologischem (sex) und sozialem Geschlecht (gender) reproduziere
die patriarchalen Dichotomisierungen. Frauen, so Butler, sollten
nicht durch ihr biologisches Geschlecht definiert werden (also
durch ihre Möglichkeit, Kinder zur Welt zu bringen), da dies
eine große Anzahl an unfruchtbaren und noch nicht bzw. nicht
mehr fruchtbaren Frauen ausschließe.
Geschlecht ist für Butler keine fixe Eigenschaft einer Person,
sondern eine Kategorie, die sich in verschiedenen Kontexten und
zu verschiedenen Zeiten wandeln kann. Das Geschlecht sei nicht
universell, sondern davon abhängig, wie sich jemand zu einer
bestimmten Zeit benimmt. Es sei daher eine Performanz und
frei-fließend an Stelle einer fixierten Kategorie: "When
the constructed status of gender is theorized as radically
independent of sex, gender itself becomes a free-floating
artifice, with the consequence that man and masculine might just
as easily signify a female body as a male one, and woman and
feminine a male body as easily as a female one" (Butler
1990, S. 6).
Notwendig sei heute die Subversion von Geschlecht und Identität
(Gender Trouble). Dies stelle einen Versuch der Aufhebung der
geschlechtsspezifischen Binärisierung in männlich und weiblich
dar. Diese frei fließenden Identitäten sind ein wesentliches
Element der Queer-Theorien. Dragkünstler(innen) sind Butlers
wesentliche Metapher für diese Subversion geschlechtlicher
Identitäten. Vor allem im kulturellen Bereich zeige sich durch
Stars wie Madonna oder Boy George eine Ambiguität der
Geschlechter. Symbolische Politik der ästhetischen
Repräsentation sei heute quasi eine wichtige Politikform. Es
müsse heute viele Formen der Politik geben, die nicht
aufeinander bezogen werden müßten.
Auf die Möglichkeit der Subversion geschlechtlicher Identitäten im kulturellen Bereich verweist auch Angerer (1995): "Die gesamte Jugend-, Musik- und Modebranche spielt mit blurring boundaries, mit unisex, gay und lesbian look. In der Modebranche gelten Transvestiten - wie RuPaul - als die besten Models für weibliche Kleidung; in der Musik produzieren Michael Jackson, Boy George, Prince und Madonna uneindeutige Geschlechtsidentitäten; Filme wie The Crying Game, M. Butterfly oder Priscilla: Queen of the Desert finden bei einem breiten Publikum Gefallen. Alle diese hier genannten Momente verweisen auf eine Sehnsucht, auf die Sehnsucht dem prison house of gender, spielerisch-performativ zu entgehen".
Wenn wir einen Vergleich zu Haraways Theoriebildung anstellen,
so könnte gesagt werden, daß einerseits Cyborgs als eine
Subversion geschlechtlicher Identitäten im Butlerschen Sinn
aufgefaßt werden können und daß andererseits Butlers
Geschlechtsbegriff als Performanz ein Überschreiten der
geschlechtlichen Grenzen zwischen Mann und Frau im Sinn einer/s
Cyborg(s) darstellt.
Die geschlechtliche Ungleichheit ist für Butler von den
Sichtweisen geschlechtlicher Rollen abhängig. Eine
Dekonstruktion dieser Wahrnehmungen könne politische
Veränderung herbeiführen und aus der patriarchalen Gesellschaft
könne eine auf Gleichheit basierende werden.
Judith Butlers Ansatz kann als eine Interpretation der
Entkörperlichung als Entgeschlechtlichung gesehen werden. Die
Subversion geschlechtlicher Identitäten ermögliche das
Überschreiten der patriarchalen Dichotomisierung zwischen Mann
und Frau.
Sherry Turkle: Virtuelle Entkörperlichung als postmoderne Vielfalt an flexiblen Identitäten
Vor allem Sherry Turkle griff Butlers Ansatz auf, um das
Verhältnis von Identität und neuen Informations- und
Kommunikationstechnologien näher zu bestimmen. Eine Auswirkung
der IKT ist nämlich die Herstellung einer Derealisierung, die
Distanz zwischen Realität und Fiktion hebt sich tendenziell auf,
beide verschwimmen: "Fiktion und Realität werden
austauschbar, selbst dort, wo man die Daten eines realen Objekts
aufnimmt, da der Computer eine unendliche Zahl von Bildern
produzieren kann" (Raulet 1988, S. 289).
Turkle (1996) betont, daß Multi User Dungeons (MUDs) - dies sind
vernetzte Rollenspiele, die über das Internet gespielt werden -
den SpielerInnen ermöglichen, verteilte und multiple
Identitäten auszuprobieren. Die Identität eines/r UserIn ist
damit nicht mehr eindeutig bestimmbar. Turkle hat untersucht,
inwiefern MUDs als Form der sozialen Interaktion Menschen mit
Kontaktschwierigkeiten helfen können, diese Probleme zu
überwinden. Sie gelangte zu dem Ergebnis, daß MUDs hilfreich
sein können, soziale Probleme zu bewältigen, wenn eine
Umsetzung der Erfahrungen aus den MUDs ins reale Leben gelingt.
Gelingt dies nicht und sind sie ein Medium der reinen Flucht, so
können sich bestehende psychische Probleme weiter verschlimmern.
Von besonderem Interessen bei den Formen der Herstellung
multipler Identitäten in MUDs ist für Turkle (1998) der
Geschlechterrollentausch, das Gender-Swapping:
"Geschlechtertausch stellt eine Gelegenheit dar, Konflikte
zu ergründen, die durch die eigene biologische
Geschlechtszugehörigkeit aufgeworfen werden" (Turkle 1998,
S. 345). Durch das Medium des virtuellen Raums kommt es also in
MUDs in dem Sinn zu einer Entkörperlichung, daß nicht mehr
eindeutig feststellbar ist, ob mit einem Mann oder einer Frau
kommuniziert wird. Es könnte daher gesagt werden, daß die
Körperlichkeit im virtuellen Raum hinter die Identitätsbildung
zurücktritt. Virtueller und physischer Körper stimmen nicht
mehr notwendigerweise überein. Im Sinn von Judith Butler
könnten MUDs als eine Subversionstaktik geschlechtlicher
Identitäten betrachtet werden.
Die Manifestationen von multipler Identität, so Turkle, würden
zu einer "umfassenden Überprüfung traditioneller,
unitärer Identitätstheorien" beitragen (Turkle 1998, S.
424). Der virtuelle Raum würde es Menschen ermöglichen, ein
flexibles und wandlungsfähiges Selbst zu entwickeln. Diese
Konzeption des Selbst sei als postmodern zu erachten, da sie eine
Vielfalt an flexiblen Identitäten ermögliche. Das Internet
besitze die Fähigkeit, Identitätskonzepte zu verändern. Der
postmoderne Aspekt der Computertechnologie bestehe darin, daß
sie ermögliche, vielfältige Standpunkte einzunehmen. "Ich
habe gesagt, die Kultur der Simulation werde uns möglicherweise
dabei helfen, die Vision einer multiplen, aber integrierten
Identität zu verwirklichen, deren Flexibilität, Elastizität
und Genußfähigkeit aus dem freien Zugang zu unseren vielen
Selbsten herrührt" (Turkle 1998, S. 437f). Turkle weist
aber auch auf die Gefahr hin, im Cyberspace verloren zu gehen
oder den Bezug zur Realität zu verlieren.
Sadie Plant: Computertechnologie und Vernetzung als Emanzipation
Eine andere postmoderne Feministin, die sich mit dem
Verhältnis von Körper und Cyberspace auseinandergesetzt hat,
ist Sadie Plant (1997, 2000). In der Moderne seien Frauen wie
Nachrichten, die von einem Mann zum nächsten weitergeleitet
werden. In einer patriarchalen Gesellschaft würden Frauen nur
als Waren und Medien existieren. Sie seien dafür zuständig, die
Codes der Männer zu entschlüsseln, deren Nummern zu zählen,
deren Kinder zur Welt zu bringen und deren genetischen Codes
weiterzugeben. Frauen seien wie Computer verwendet worden - als
Maschinen, die das Patriarchat und den Nachwuchs reproduzieren
helfen sollen.
Durch die Automation der Kommunikation würden sich rhizomatische
Netzwerke ausbilden, in denen Linien wichtiger sind als Punkte.
Damit bezieht sich Plant auf Deleuze und Guattaris Konzept des
Rhizoms, mit dem diese vernetzte Strukturen beschreiben: "In
einem Rhizom gibt es keine Punkte oder Positionen wie etwa in
einer Struktur, einem Baum oder einer Wurzel. Es gibt nichts als
Linien" (Deleuze/Guattari 1977). Damit haben Deleuze und
Guattari bereits Ende der 70er-Jahre jene Entwicklungen
vorausgesehen, die in den 90ern als Netzwerkgesellschaft
beschrieben wurden. Unsere Gesellschaft, so Manuell Castells
(1996), sei heute durch eine Netzwerklogik geprägt. Wesentliches
Moment dieser Logik ist bei Castells der Raum der Flüsse (Space
of Flows). Im Space of Flows zeigt sich nun die Aufhebung von
raum-zeitlicher Entfernung. Er zeichne sich nämlich durch die
zeitlose Zeit und den ortslosen Raum aus. Der Raum der Flüsse
löst die sequentielle zeitliche Organisation durch die
Herstellung einer Gleichzeitigkeit auf.
Die Nachrichten und die Knoten, zwischen denen sie zirkulieren,
sind, so Plant, binär codiert. Der binäre Code sei einerseits
zwar auch typisch für das Patriarchat, andererseits würde durch
die heutigen technologischen Entwicklungen die Zuschreibung einer
männlichen Basis und eines weiblichen Überbaus der Gesellschaft
aufgelöst. Der binäre Code als Zuschreibung von 0 und 1:
weiblich und männlich verliere heute seine Gültigkeit.
Die Netzwerklogik zeige sich heute nicht nur in Wissenschaft,
Technik und Ökonomie, auch soziale Bereiche würden sich
verstärkt konnektionistisch von unten nach oben selbst
organisieren. Entkörperlichung bedeutet für Sadie Plant die
Möglichkeit, aus dem eigenen Organismus zu entfliehen. Als
Beispiele dafür nennt sie die virtuelle Realität und die
englische Tanzszene (Ravebewegung). Die Dance-Kultur sei ein
gutes Beispiel für die neue Netzwerklogik, da sich in ihr die
vorherrschenden Stilrichtungen permanent verändern.
In der Zeit vor Multimedia hätten die Medien auf den
Aktivitäten einzelner Organe basiert. Im Bereich von Multimedia
zeige sich heute das Überschreiten dieser Grenzen, durch die
Konvergenz der Medien komme es auch zu einer Konvergenz ehemals
medial separierter körperlicher Organe. Der Körper sei daher
heute nicht einfach eine Ansammlung von Organen, sondern ein
Punkt der Verschmelzung verschiedenster materieller Flüsse. Die
Separation der Individuen von der Natur und dem Rest der Welt
komme dadurch zu einem Ende, jedes System der Herrschaft habe auf
solchen Spaltungen und Separationen aufgebaut. Kontrolle sei
nicht beliebig ausdehnbar und verkehre sich an einem bestimmten
Punkt in ihr Gegenteil. Machtstrukturen, die ihre Macht und
Kontrolle immer weiter ausweiten wollen, würden diese Kontrolle
an einem gewissen Punkt unterminieren, da sie eine von unten nach
oben sich selbst organisierende Opposition stimulieren würden.
Die Kontrolle von Frauen betreffend, sei dieser Punkt heute
erreicht. Es bestehe ein enger Zusammenhang zwischen
technologischer Entwicklung und der Emanzipation der Frau:
"Just as machines get more intelligent, so women get more
liberated!" (Plant).
Ähnlich wie Plant betont auch Evelyn Fox Keller (1986), daß
Hierarchien ein typisch patriarchales Charakteristikum sind. In
ihrer Analyse bezieht sie sich vor allem auf die Wissenschaft. Es
bestehe ein Zusammenhang zwischen patriarchal-hierarchischen
Denkmustern und den Idealen der Naturwissenschaft.
Naturwissenschaftler würden die Natur hierarchisch beschreiben,
da sich ihr Denken durch Sozialisierung in einer
patriarchal-hierarchischen Gesellschaft entwickle.
Plant (1997) möchte eine alternative Geschichte der Technologie
schreiben. Betont werden die technischen Errungenschaften, an
deren Entwicklung und Durchsetzung Frauen beteiligt waren. So
könne z.B. das Weben, eine für Plant typisch weiblich besetzte
Technologie, als die erste Technologie verstanden werden. Betont
wird z.B. auch, daß eine Frau, nämlich Lady Ada Lovelace - die
Tochter des Dichters Lord Byron -, die erste Programmiersprache
entworfen habe. Dies sei in Analogie zum Webstuhl vor sich
gegangen. Daher bestehe eine Verbindung zwischen
Computertechnologie und Weben. Die Geschichte der Technologie, so
wie sie zumeist erzählt und in Büchern publiziert wird, sei
eine typisch patriarchale, die weibliche Leistungen
unberücksichtigt lasse und Technik als etwas typisch männliches
darstelle. So wird heute z.B. von Charles Babbage als dem
Erfinder der Differenzmaschine gesprochen, daß Ada Lovelace dazu
ganz wesentliche Beiträge geleistet hat, wird kaum erwähnt.
Die dezentrale Vernetzung sei schon in der Vergangenheit
gezwungenermaßen typisch weiblich gewesen. Vor allem im Bereich
der Technologie, aber nicht ausschließlich, zeige sich heute die
Erosion zentralistischer Strukturen (Internet, Vernetzung etc.).
Es bestehe die Möglichkeit, daß die gesamte Kultur auf einen
neuen Organisationsmodus zusteuert, der kompatibler ist mit den
Arten des Handelns, mit denen Frauen in der Vergangenheit
konfrontiert waren. Die Zukunft gehöre kleinen vernetzten
Einheiten, die sich dezentral organisieren. Bei den Netzen des
Internets sei dies heute schon der Fall. Bei Plant werde der
"Cyberspace als 'weiblicher Raum' beschrieben, als ein Raum,
in dem Frauen sich von 'Natur' aus besser auskennen, der ihnen in
gewisser Weise immer schon vertraut war, der auf spezifische
Weise 'weiblich codiert' zu sein scheint", so Angerer
(1997).
Die typisch weibliche Vernetzung zeige sich heute auch in der
Technologie des Hypertexts. Plants Buch "Zeros and
Ones" (1997) ist ähnlich einem Hypertext strukturiert. Auch
hier besteht wiederum ein Bezug, zu Deleuze und Guattari, die ihr
Buch "Tausend Plateaus" nicht linear schrieben, sondern
an verschiedenen Stellen gleichzeitig verfaßten. Es gebe daher
keine sequentielle Reihenfolge der Kapitel, sondern diese
könnten in beliebiger Reihenfolge gelesen werden. Eine solche
implizite Hypertextstruktur und die Tatsache, daß Deleuze und
Guattari alltägliche Begriffe neu definieren und dann in ganz
anderen Kontexten gebrauchen, macht ein klares und einfaches
Verständnis ihrer Werke nahezu unmöglich. Eigene
Interpretationen sind notwendig.
Das Internet sei ein Beispiel für eine geordnete Unordnung, ein
selbstorganisierendes System. Es habe keine traditionelle
Struktur und verhalte sich fast chaotisch. Dieses dezentrale
Modell ermögliche das Überdenken traditioneller - d.h.
zentralistischer und hierarchischer - Organisationsweisen
gesellschaftlicher Strukturen. In Bezug auf den Computer ist
Plant technikoptimistisch. Er ermögliche verschiedene
Einsatzmöglichkeiten. Daraus ergebe sich eine Kompatibilität
ehemals inkompatibler Bereiche.
In Plant (2000) werden Drogen als Kommunikationstechnologien
aufgefaßt. Der Mensch sei ein informationsverarbeitendes System.
Drogen würden diese Informationsverarbeitung verändern und
würden in die körperliche Kommunikation manipulativ eingreifen.
Wird der Körper als Kommunikationssystem betrachtet, so müßten
Hormone und Neurotransmitter als chemische Kommunikationsmedien
des Körpers aufgefaßt werden. Durch Drogen könnten diese
Kommunikationen erweitert oder blockiert werden. Sie seien daher
chemische Maschinen, die die körperliche Kommunikation
verändern.
Der Cyborg sei nun nicht Resultat der Informationstechnologie
oder der Kybernetik, sondern resultiere aus den Überlegungen zum
Einsatz von Drogen im Weltraum. Denn der bereits erwähnte
Aufsatz von Clynes/Kline (1960) beschäftigt sich u.a. mit der
Schaffung von Cyborgs, die in außerirdischen Welten mittels
maschineller Prothesen überleben können. Diese Prothesen
sollten die kontinuierliche Versorgung des Körpers mit
speziellen Drogen garantieren.
Drogen sind für Plant Waffen: Als Medizin kämpfen sie gegen
Schmerz und Infektionen. Die Verteidigungsstrategien von Pflanzen
würden häufig auf dem Einsatz von chemischen Substanzen als
Waffen basieren. Und auch im militärischen Bereich seien Drogen
schon immer als Waffen eingesetzt worden. Z.B. um die Ausdauer
von Piloten zu erhöhen oder um Kriminalisierungen unerwünschter
Gruppen durchzusetzen. Die Computertechnologie ermögliche es
heute, Drogen synthetisch herzustellen, da die chemische Struktur
am Bildschirm genau geplant werden könne. Plant geht mit ihren
Überlegungen noch einen Schritt weiter und stellt damit den
Kontext zum Zusammenhang von Körper und Technologie wieder her:
Wenn es möglich sei, Drogen heute am Bildschirm genau zu planen,
müsse es auch möglich sein, das Gehirn durch Anschluß an einen
Computer zu manipulieren. Sie hält also die Schaffung eines
kybernetischen Cyborgmenschen heute für möglich. Bei dem nun
geführten Krieg gegen Drogen (War on Drugs) gehe es vor allem um
die Herstellung eines staatlichen Monopols der Produktion von und
des Handels mit Drogen. Dieser Aspekt der Monopolisierung sei ein
typisches Phänomen für die anhaltende Krise des Kapitalismus.
Differenzdenken in der Theorie der Postmoderne
Allen hier diskutierten Ansätzen ist gemeinsam, daß sie
davon ausgehen, daß die voranschreitende Entkörperlichung
Emanzipation mit sich bringt: Für Donna Haraway stellen die
durch Biotechnologie hergestellten Cyborgs die Hoffnung auf die
Emanzipation von geschlechtsspezifischer Unterdrückung dar.
Judith Butler hofft auf die Überwindung solcher Unterdrückung
durch die Subversion geschlechtlicher Identitäten und einer
Subversion im Rahmen von symbolischen und ästhetischen Formen
der Politik. Sherry Turkle verbindet mit der Herstellung
multipler Identitäten im virtuellen Raum die Hoffnung auf eine
Vielfalt von Standpunkten. Für Sadie Plant steht
Entkörperlichung für eine Flucht aus dem eigenen Organismus und
die Chance auf technisch vermittelte dezentrale,
nichthierarchische, vernetzte und von unten selbst aufgebaute
Organisationsweisen. Postmoderne Theorieansätze verbinden also
offenbar mit der Entkörperlichung die Vorstellung einer Chance
auf Befreiung.
Symptomatisch für solche Ansichten ist Florian Rötzers (2000)
Auffassung, daß Entkörperlichung die Selbstbestimmung der
Menschen über ihre Körper mit sich bringe: "Daher heißt
jetzt Emanzipation nicht nur Befreiung von sozialen Zwängen und
Naturbeherrschung, sondern Selbstbestimmung bis hin zur
Gestaltung der eigenen Verkörperung. Und gegen dieses Recht auf
die Gestaltung seiner Kinder werden langfristig die Blockaden
nicht gehalten werden können, die mit dem Bild einer staatlich
verordneten Eugenik verteidigt werden" (Rötzer 2000, S.
12).
Wir haben gesehen, daß postmoderne Feministinnen wie Donna
Haraway und Judith Butler Begriffe wie Differenz und Identität
stark betonen. Dies wendet sich vor allem gegen
vereinheitlichende Konzepte wie die Annahme der Notwendigkeit
einer Klassensolidarität in der marxistischen Theorie. Die
postmodernistische Identitätspolitik betont nicht die Aspekte
eines gemeinsamen Kampfes unterdrückter Gruppen, sondern den
Kampf um Anerkennung der Identität bestimmter unterdrückter
Gruppen. Steven Best und Douglas Kellner (1997) unterstreichen in
ihrer kritischen Auseinandersetzung mit der postmodernen Theorie
deren folgende Charakteristika (Best/Kellner 1997, S. 255ff): Die
Betonung von Differenz, Pluralität und Komplexität an der
Stelle von Universalismus, Vereinheitlichung und Totalisierung.
Indeterminismus, Unsicherheit, Ambiguität und Chaos an Stelle
von Geschlossenheit und fixen Bedeutungen. Dieser Punkt betrifft
vor allem die Methodologie der Wissenschaft. In epistemologischer
Hinsicht tritt die postmoderne Theorie für die subjektivistische
Konstruktion von Kognition und Wissen ein und wendet sich gegen
den Gedanken der Repräsentation, wie er vor allem von der
marxistischen Widerspiegelungstheorie vertreten wird.
Um noch einen näheren Einblick in den postmodernen Feminismus zu
bekommen und eine Kritik anschließen zu können, ist es
sinnvoll, einige weitere Ansätze näher zu betrachten. Donna
Haraway bezieht sich mit ihrem Begriff des situierten Wissens auf
Sandra Hardings (1994) strenge Objektivität. Eine
Standpunkt-Theorie des Wissens, so Harding, dürfe nicht von den
Erfahrungen männlicher weißer Europäer oder US-Amerikaner
ausgehen, sondern müsse die Erfahrungen aller Unterdrückten und
ausgeschlossenen Gruppen berücksichtigen. Von verorteter Politik
spricht Harding bei Identitätspolitik. Wesentlich sei heute die
Arbeit an der Emanzipation der eigenen unterdrückten Gruppen,
nicht universalistische Ansprüche der Befreiung der gesamten
Menschheit (Butler 1994, S. 289). Dies müsse nun nicht eine
vollständige Trennung der politischen Perspektiven mit sich
bringen, vielmehr könnten WissenschaftlerInnen aus verschiedenen
Gruppen auch aus der Perspektive anderer Gruppen denken. So
könne z.B. auch eine weiße Feministin aus der Perspektive einer
schwarzen Feministin denken oder ein Mann aus der Perspektive
einer Frau. Weiße Feministinnen müßten erkennen, wie sie mit
den Erfahrungen Schwarzer verbunden sind. Dies allerdings aus
ihrer "eigenen differenten sozialen Identität heraus"
(Harding 1994, S. 299).
Die Generierung emanzipatorischen Wissens müsse immer "vom
Leben der Menschen in den ausgebeuteten, unterdrückten und
beherrschten Gruppen ausgehen" (Harding 1994, S. 293).
Menschen, die nicht Teil bestimmter unterdrückter Gruppen seien,
könnten nichtsdestotrotz das von diesen Gruppen generierte
Wissen für sich nutzen. Harding betont, daß nicht jede Frau
automatisch eine Feministin ist und daß auch Männer
feministisches Wissen nutzen und neues generieren können. Jede
emanzipatorische Bewegung müsse ihre Ziele heute aus der
Perspektive anderer unterdrückter Gruppen betrachten. Es sei
nicht der Fall, daß jemand eine spezifische Unterdrückung
erfahren haben muß, um sie zu analysieren. Notwendig sei aber
der Bezug auf das von Menschen, die mit dieser Form der
Unterdrückung konfrontiert sind, generierte Wissen.
Eine solche Art der strengen Objektivität setze einige
postmodernistische Programmpunkte in die Tat um. Der Feminismus
brauche Wissenschaften, die objektiver sind als Praktiken der
androzentrischen, bürgerlichen Gruppen im Westen, die
Wissenschaft als universell und interessenslos ausgeben (ebd., S.
324). Insgesamt beharrt Harding auf dem typisch
postmodernistischen Differenzdenken, sie betont differente
Identitäten von unterdrückten Gruppen. Jede Gruppe müsse für
ihre eigene Befreiung kämpfen, dabei jedoch die Standpunkte
anderer unterdrückter Gruppen miteinbeziehen.
Auch Evelyn Fox Keller (1986) betont die Notwendigkeit der
Differenz und spricht von einem Respekt vor der Differenz.
Differenz unterscheide sich grundlegend von dem Prinzip der
Spaltung und Dichotomisierung, das typisch für die patriarchale
Gesellschaft sei. Sie unterscheidet Erkenntnis, die durch
Differenz zustandekommt, von Differenz, die durch Spaltung
entsteht. Differenz ermögliche den Schutz des Individuellen.
Vielfalt, Differenz und Einzigartigkeit müßten anerkannt
werden. Sie spricht sich für ein dynamisches Konzept der
Objektivität aus. Dabei müsse die Differenz zwischen dem Selbst
und dem Anderen erkannt werden. Statische Objektivität setzte im
Gegensatz dazu bei einer Trennung des Subjekts vom Objekt an. Die
herrschende Wissenschaft basiere auf einer Entgegensetzung von
Liebe und Wissen, dynamische Objektivität bedeute hingegen eine
Form der Liebe. Typisch patriarchal sei die Zweiteilung der Welt
- "in Liebe und Wissenschaft, Gefühl und Vernunft, Körper
und Geist" (Fox-Keller 1996b, S. 41). Fox Keller (1996b)
betont, daß für den postmodernen Feminismus typisch sei, daß
er davon ausgeht, daß Frauen und Männer sowie Körper das sind,
was ihnen eingeschrieben wird. Daher handle es sich beim sozialen
Geschlecht um eine soziale Konstruktion, die dekonstruiert werden
müsse. Weiters sei für diese Art des Feminismus der Diskurs der
Differenz wesentlich.
Fox Keller tritt also für eine neue Methodik der Wissenschaft ein, die auf differentem Denken beruht.
Die wesentlichen Thesen der diskutierten Vertreterinnen des postmodernen Feminismus zur Entkörperlichung können folgendermaßen zusammengefaßt werden:
1. Biotechnologie und Entkörperlichung als Chance auf Überwindung geschlechtsspezifischer Unterdrückung, Spaltungen und Grenzen
2. Situiertes Wissen als Wissen(schaft), das/die auf der Seite der Unterdrückten steht und die Differenz der Unterdrückten berücksichtigt
3. Judith Butler sieht Geschlecht als Performanz und Entkörperlichung als die Subversion geschlechtlicher Grenzen durch symbolische und ästhetische Formen der Politik
4. Bei Sherry Turkle kann Entkörperlichung als die Herstellung multipler Identitäten im virtuellen Raum verstanden werden. Dadurch sei ein flexibles Selbst und eine postmoderne Vielfalt der Standpunkte möglich.
5. Sadie Plant betont, daß die Netzwerklogik zwangsweise schon lange typisch für das Handeln von Frauen sei. Sie will die Geschichte der Technik weiblich umschreiben. Heute zeige sich vor allem im Bereich der Computertechnik die Erosion zentraler Strukuren und die Herausbildung dezentral vernetzter selbstorganisierter Strukturen. Diese technische Entwicklung sei eng verknüpft mit der Möglichkeit gesellschaftlicher Veränderung hin zu mehr Vernetzung und Dezentralisierung. Daraus ergebe sich auch die Möglichkeit der Emanzipation vom Patriarchat.
3. Eine marxistisch-feministische Kritik der postmodernistischen Theorie
Für einen feministischen Marxismus und einen marxistischen Feminismus
Um eine Kritik an diesen Thesen zu formulieren, ist eine
nähere Analyse des Verhältnisses von Kapitalismus und
Patriarchat notwendig. Als Ziele eines marxistischen Feminismus
könnte die Aufklärung der Funktionsweise von Herrschaft und
Ausbeutung im kapitalistischen Patriarchats, eine sich daran
anschließende Kritik dieser Verhältnisse und die sich daraus
ergebende Aufhebung aller Klassenverhältnisse formuliert werden.
Für einen marxistischen Feminismus einzutreten, bedeutet nicht,
eine Unterscheidung von Haupt- und Nebenwidersprüchen zu
kultivieren. Im traditionellen Marxismus, angefangen bei Marx und
Engels, wurde die Ausbeutung von Frauen nicht ausreichend
berücksichtigt. Das Patriarchat wurde als reines
Überbauphänomen betrachtet, das nach Aufhebung des
Klassenverhältnisses von Kapital und Arbeit von alleine
verschwinden würde. Die patriarchale Herrschaft wurde im Sinn
von Althusser zu einem Nebenwiderspruch des Kapitalismus
erklärt. Deshalb aber zu behaupten, daß sich Feminismus gegen
den Marxismus wenden muß und ein feministischer Marxismus
niemals möglich sein kann, bedeutet, daß bürgerliche
Dichotomisierung reproduziert werden. Ein marxistischer
Feminismus ist möglich und er kann die Einheit verschiedener
Klassenverhältnisse berücksichtigen, die die kapitalistische
Gesellschaftsformation benötigt, um sich reproduzieren zu
können.
Bestehende Ansätze des marxistischen Feminismus haben die
patriarchale Orientierung der marxistischen/
sozialistischen/kommunistischen/anarchistischen Theorie und
Praxis kritisiert. Dies wird häufig in feministischen Kritiken
am Marxismus ausgeblendet. "[For]
"Mechanical Marxists" [...] the only 'real' and
important things that go on in capitalist society are those
things that relate the productive process or the conventional
political sphere. From such a point of view, every other part of
experience and social existence - things having to do with
education, sexuality, recreation, the family, art, music,
housework (you name it) - is peripheral to the central dynamics
of social change; it is part of the 'superstructure' or
'culture'. Socialist feminists are in a very different camp from
what I am calling 'Mechanical Marxists'. We [...] see capitalism
as a social and cultural totality. [...] we never
compartmentalized women off to the 'superstructure'"
(Ehrenreich 1976/1997, S. 68).
Daran schließt sich ein Interesse eines marxistischen
Feminismus an, die Ausbeutung von Frauen als Klassenverhältnis
zu beschreiben. Die Erklärung der patriarchalen Ausbeutung zu
einem Nebenwiderspruch resultiert tatsächlich zu einem guten
Teil aus der theoretischen Annahme eines mechanistischen
Basis-Überbau-Modells, in dem die ökonomisch-materielle Basis
Kultur, Politik, Ideologie, Theorie, Religion, Erziehung,
Bildung, Sexualität, Familie, Hausarbeit etc. als
Überbauphänomene in letzter Instanz determiniert. Ein
marxistischer Feminismus müßte daher ein solches
mechanistisches Modell durch ein dynamisches ersetzen, um eine
Einheit aller Widersprüche und Ausbeutungsverhältnisse des
Kapitalismus beschreiben zu können.
Um dies in Anätzen zu bewerkstelligen, können wir folgende
Annahmen treffen:
Eine Gesellschaft besteht aus den Subsystemen Ökonomie, Politik
und Kultur. Die Ökonomie ist jenes gesellschaftliche Subsystem,
in dem es um die (Re-)Produktion, Distribution, Konsumtion und
Allokation von Gebrauchsgütern und Ressourcen geht. Die Politik
ist jenes gesellschaftliche Teilsystem, in der Entscheidungen
über die Lebensumstände der Gesellschaftsmitglieder getroffen
werden. Und die Kultur jenes Subsystem, in dem Ideen,
Einstellungen und Meinungen entstehen. Das sind grundsätzliche
Bestimmungen für jede Form der Gesellschaft. Es zeigen sich
jedoch auch spezifische Ausprägungen von Ökonomie, Politik und
Kultur in jeder Phase der gesellschaftlichen Evolution. Die
derzeitige Phase, in der wir leben, ist der Kapitalismus.
Ökonomie ist daher in unserer Gesellschaft heute immer
kapitalistische Ökonomie. Und diese basiert auf der Mehrwert
produzierenden Lohnarbeit, die eine Basis einer weiteren
Funktionsbestimmung, nämlich der Realisierung des Profits ist.
Weitere grundsätzliche Kategorien sind das Privateigentum an
Produktionsmitteln, der Tauschwert, die Ware, das allgemeine
Äquivalent des Tausches - die Geldform -, das Kapital und sein
permanenter Verwertungs- und Akkumulationsprozeß. Im
Kapitalismus tritt der Gebrauchswert der Güter hinter den
Tauschwert. Relevant ist nicht der gesellschaftliche Bedarf an
Gütern, sondern die Aussicht auf Profitrealisierung durch die
Produktion bestimmter Waren. Der Kapitalismus zeichnet sich durch
Antagonismen in den gesellschaftlichen Subsystemen aus.
Kapital und Mehrwert existierten auch bereits vor Existenz der
kapitalistischen Gesellschaftsformation. Das spezifisch Neue des
Kapitalismus ist die Selbstzweckhaftigkeit des Werts (sein
permanenter Fluß und seine Vermehrung durch Akkumulation und
Rückkopplung auf sich selbst) durch die Metamorphose und die
erweiterte Reproduktion des Kapitals, in Rahmen derer sich
Kapital von Geld- in Warenkapital verwandelt, die Form von
Produktivkapital annimmt und sich schließlich durch die
Mehrwertproduktion in mehr Waren- und Geldkapital
zurückverwandelt wird.
Ökonomie, Politik und Kultur stehen miteinander in
wechselseitigen Verhältnissen und beeinflussen sich daher
gegenseitig. Die Kausalität, die diesen Beziehungen zu Grunde
liegt, ist keine mechanistische. D.h., daß nicht jede Wirkung
auf genau eine Ursache zurückzuführen ist. Vielmehr haben wir
es mit einer multidimensionalen Form der Kausalität zu tun: Eine
Wirkung kann viele Ursachen haben und eine Ursache kann viele
Wirkungen zu Folge haben. Gesellschaft ist ein hoch komplexes
System, daher können Ursachen und Wirkungen einander nicht
bijektiv zugeordnet werden. Auf Grund dieser komplexen
Kausalität ist es nicht der Fall, daß ein gesellschaftliches
Subsystem das Geschehen in anderen determinieren kann.
Gesellschaft folgt daher auch nicht einem simplen
Basis-Überbau-Modell. Es ist jedoch so, daß in der
kapitalistischen Gesellschaft die Ökonomie ein dominantes
Verhältnis zu Politik und Kultur einnimmt. D.h., sie
determiniert nicht das politische und kulturelle Handeln und
deren Entwicklung, aber sie beeinflußt sie in so einem Ausmaß,
daß auch Politik und Kultur von der ökonomischen Logik des
Kapitalismus geprägt sind. Derartige Beeinflussungen können
aber niemals einen vollständigen Charakter annehmen, da solche
Argumentationen des strukturalistischen Ökonomismus wenig
Spielraum für alternative Entwicklungen lassen und daher
qualitative Veränderung der Gesellschaft prinzipiell
ausschließen. Resultat sind statische und mechanistische
Gesellschaftsmodelle. Gesellschaft als komplexes System ändert
sich jedoch dynamisch und unterliegt keiner mechanistischen
Kausalität. Politik und Kultur haben daher auch immer
Rückwirkungen auf den Bereich der Ökonomie.
Die Evolution des Kapitalismus wird daher nicht von der Ökonomie
determiniert, sondern von Ökonomie, Politik und Kultur
beeinflußt. Die ökonomische Prägung ist dabei auf Grund der
Dominanzverhältnisse (Ökonomie dominiert Politik und Kultur)
stärker als die poltische und kulturelle. Die Ökonomie
determiniert nicht das Auftreten von Krisen des Kapitalismus,
ökonomische Aspekte spielen aber eine wesentliche Rolle. Genauso
existieren aber politische Krisen, die mit den ökonomischen in
Wechselwirkung stehen können. Bei einer Krise des Kapitalismus
kann es sich um ökonomische oder politische Krise handeln oder
um die Einheit von beidem.
Unter Annahme einer derartigen multidimensionalen Kausalität des
Kapitalismus und unter Berücksichtigung der komplexen Wirkungen
zwischen gesellschaftlichen Subsystemen, wird die Ausbeutung von
Frauen nicht mehr als ein Überbauphänomen angesehen, sondern in
allen drei gesellschaftlichen Subsystemen angesiedelt (Ökonomie,
Kultur und Politik). Sehen wir uns dies näher an. Zunächst die
ökonomische Dimension:
Der Kapitalismus kann sich nur durch die Aufrechterhaltung
antagonistischer Klassenverhältnisse permanent reproduzieren.
Ein Klassenverhältnis bedeutet eine Ausbeutungs- und
Herrschaftsbeziehung zwischen einer ausbeutenden/herrschenden und
einer ausgebeuteten/beherrschten Gruppe.
Es ist offensichtlich, daß zwischen Kapital und Lohnarbeit ein
Ausbeutungsverhältnis besteht. Die Lohnarbeitenden produzieren
ein Mehrprodukt, daß sich die Kapitalisten aneignen und das dem
Kapital keine zusätzlichen Kosten verursacht. Bei Marx wurde die
Mehrwertproduktion zur Definitionskategorie beim Klassenbegriff.
Daher wurden z.B. patriarchale Verhältnisse nicht als
Klassenverhältnisse verstanden. Ein Klassenbegriff, der die
soziale Fragmentierung und die Prekärisierung der
Lebensverhältnisse im Postfordismus erfassen soll, muß jedoch
eine allgemeinere Festlegung erfahren. Dies wird durch die
Verknüpfung von Klassen- und Ausbeutungsbegriff erreicht.
Dadurch ist es auch einsichtig, daß davon ausgegangen wird, daß
es nicht ein, sondern mehrere Klassenverhältnisse im
Kapitalismus gibt. Bei Betrachtung jedes einzelnen
Klassenverhältnisses muß spezifiziert werden, um welche Form
der Ausbeutung es sich handelt. Im Fall des Verhältnisses
zwischen Kapital und Lohnarbeit ist die Ausbeutungsdimension eben
dadurch gegeben, daß sich das Kapital die gratis geleistete
Mehrarbeit der Arbeitenden aneignet.
Es kann davon ausgegangen werden, daß es sich auch beim
kapitalistischen Patriarchat um ein Klassenverhältnis handelt.
Die Hausarbeit dient der Produktion und Reproduktion der
Lohnarbeit. Als Gegenleistung erhalten die Hausarbeitenden einen
(meist geringen) Anteil des Lohnes der Lohnarbeitenden (oder die
Arbeit muß vollständig gratis geleistet werden), der jedoch
niemals die gratis geleistete Arbeit aufwiegen kann. Im Mehrwert,
den das Kapital abschöpft, findet sich auch die
Reproduktionsarbeit, die von den meist weiblichen Hausarbeitenden
geleistet wird, um die zumeist männlichen Lohnarbeiter zu
reproduzieren. Daher beutet das Kapital nicht nur die doppelt
"freien" Lohnarbeitenden aus, sondern auch die unfreien
Reproduktionsarbeitenden. Diese nahezu gratis geleistete
Reproduktionsarbeit ist für den Kapitalismus wesentlich, da es
nicht möglich ist, daß alle notwendigen Tätigkeiten bezahlt
werden. Dies würde die Kapitalakkumulation schwer
beeinträchtigen und zusätzliche ökonomische Krisen
begünstigen. Um überhaupt bestehen zu können, benötigt der
Kapitalismus daher gratis geleistete Arbeit. Von einem
Ausbeutungsverhältnis kann gesprochen werden, da sich das
Kapital und die Lohnarbeitenden die Reproduktionsarbeit aneignen.
Die Lohnarbeitenden werden zu Ausbeutern, um fähig zu sein,
selbst ausgebeutet zu werden. Es handelt sich hier also um ein
Ausbeutungsverhältnis zwischen den Hausarbeitenden einerseits
und Kapital sowie Lohnarbeit andererseits. Der doppelt
"freie" Lohnarbeiter ist eigentlich dreifach
"frei", da er auch frei ist von der
Reproduktionsarbeit, die zumeist die Hausfrau (im Postfordismus
immer häufiger unter Mehrbelastungen) übernimmt. Wir können
beim kapitalistischen Patriarchat von einer Produktionsweise und
einem Ausbeutungsverhältnis sprechen.
Rosa Luxemburg (1913) betonte in ihrer Imperialismustheorie nicht
nur, daß Imperialismus bedeutet, daß der Kapitalismus immer
weitere Gebiete erfaßt, sondern auch, daß trotz der ständigen
Ausdehnung der kapitalistischen Produktionsweise und damit des
Lohnarbeitsverhältnisses die Nicht-Lohnarbeit eine wesentliche
Rolle im Kapitalismus spielt. Sie meint, daß der Prozeß der
ursprünglichen Akkumulation im entfalteten Kapitalismus nicht
abgeschlossen sei, sondern andauert. Marx sprach davon, daß in
der "ursprünglichen Akkumulation" der Mehrwert durch
Gewaltandrohung ausgepreßt wurde und die Menschen mit eben
diesen Methoden in die Lohnarbeit gezwungen wurden (Enteignung
des Landvolkes von Grund und Boden, gewaltsame Verwandlung der
Landbevölkerung in Industrieproletariat). Erst später sei an
diese Stelle das Konstrukt des doppelt "freien"
Lohnarbeiters getreten, der "frei" (d.h. gezwungen)
ist, seine einzige Ware, die Arbeitskraft, auf den Arbeitsmarkt
zu schmeißen und der frei ist von den Produkten, die er
herstellt (d.h.: sie gehören ihm nicht). Luxemburg spricht von
nichtkapitalistischen Milieus und Schichten und meint damit
Bereiche, in denen die Arbeitenden keine doppelt freien
Lohnarbeitenden sind. Sie vertritt die Ansicht, daß der
Kapitalismus immer wieder nichtkapitalistische Milieus
produziert, damit die Akkumulation des Kapitals überhaupt
funktionieren kann.
Im marxistischen Feminismus wurde die Milieutheorie Rosa
Luxemburgs aufgegriffen und die Hausarbeit, die als
Reproduktionsarbeit die Reproduktion von Arbeitenden und
Kapitalismus garantiert, als Milieubereich interpretiert. Der
marxistische Feminismus propagiert, daß die billige oder umsonst
geleistete Arbeit von Frauen wesentlich zur Generierung von
Mehrwert, der Basis des Profits und des Kapitalismus, beiträgt.
Es wird also versucht, eine Beziehung zwischen
Frauenunterdrückung und Kapitalismus herzustellen. Hausarbeit
kann mit Bezug auf Luxemburg als Milieu interpretiert werden, der
Haushalt und die Familie können als Kolonie angesehen werden (5). "In den
Industrieländern sind die Hausfrauen die idealtypischen
Subsistenzproduzenten und Nichtlohnarbeiter, in den ehemaligen
Kolonien sind es hauptsächlich Frauen und Bauern. Gemeinsam ist
beiden, daß die Ausbeutung und Überausbeutung ihrer Arbeit
nicht unmittelbar durch das Lohnverhältnis geschieht, sondern
durch andere Zwänge, und daß ihre Arbeit die Basis darstellt,
auf der die Ausbeutung der sogenannten Lohnsklaven erst
stattfinden kann" (Bennholdt-Thomsen/Mies/Werlhof 1992, S.
107, vgl. auch Mies 1996, S. 46-53). Demnach braucht die
kapitalistische Produktionsweise für ihr Wachstum die Ausbeutung
von Kolonien wie Frauen, anderen Völkern und der Natur.
Wir gehen davon aus, daß der Kapitalismus Milieus braucht, die
er im Rahmen einer ursprünglichen Akkumulation äußerst
profitabel ausbeuten kann, um überhaupt existieren zu können.
Im Postfordismus kommt es zu einem verstärkten Ausbau dieser
Milieus. Dies stellt einen Versuch dar, die Profitabilitätskrise
und die anhaltende Dauerkrise auf Kosten immer größerer Teile
der Weltbevölkerung zu lösen. Zu diesen ausgebeuteten Milieus
gehört im Postfordismus nicht nur die patriarchale
Produktionsweise, sondern auch die Dritte Welt, prekär
Beschäftigte und rassistische Produktionsverhältnisse.
Menschen, die im informellen Sektor arbeiten, sind wie
Hausfrauen, sie sind eine Quelle unkontrollierter und
unbeschränkter Ausbeutung. Diese Informalisierung und
Prekärisierung immer weiterer Teile der Arbeitsverhältnisse in
der derzeitigen postfordistischen Phase des Kapitalismus, also
die Verallgemeinerung der unfreien und marginalisierten
Hausfrauenarbeit, wird als "Hausfrauisierung"
bezeichnet (siehe Mies 1996, S. 26-28). Ziel der Hausfrauisierung
ist die Einsparung von Arbeitskosten.
Daß Frauen heute immer häufiger in Lohnarbeitsverhältnissen
anzutreffen sind, bedeutet kein Ende des Patriarchats, wie manche
bürgerliche FeministInnen meinen. Ganz im Gegenteil: Das
kapitalistische Patriarchat benötigt für seine postfordistische
Existenzweise in prekären Lohnarbeitsverhältnissen
beschäftigte Frauen, die zusätzlich noch die gratis geleistete
oder niedrig bezahlte Hausarbeit übernehmen und damit einer
Vielfachbelastung ausgesetzt sind. "Frauenarbeit im
Postfordismus heißt, rund um die Uhr für Kapitalismus und
Patriarchat zur Verfügung zu stehen" (Ruf 1990, S. 301).
Die patriarchale Produktionsweise ist Milieu und Kolonie der
ursprünglichen Akkumulation und kann nur durch ein konstruiertes
Klassenverhältnis zwischen ausgebeuteten
Reproduktionsarbeitenden und ausbeutendem Kapital bestehen. An
dieser Ausbeutung beteiligen sich häufig auch männliche
Lohnarbeiter, die ihre Arbeitskraft nur durch dieses
Ausbeutungsverhältnis reproduzieren können. Der Lohnarbeiter
ist genauso wie der Kapitalist eine Charaktermaske des
Kapitalismus, er erfüllt eine Rolle und Funktion als
ausgebeuteter Ausbeuter. Die patriarchale Produktionsweise ist
heute aber nicht das einzige Milieu ursprünglicher Akkumulation.
Betont werden muß, daß diese Milieus nicht starr sind, sondern
einem historischen Wandel unterliegen.
Die immer kleiner werdende Zahl der KernarbeiterInnen
(6) kann ihre Vollzeitarbeitsverhältnisse im
Postfordismus nur dadurch aufrecht erhalten, daß das Kapital
dafür sorgt, daß die Arbeitsverhältnisse der peripheren
ArbeiterInnen immer schlechter werden. Die überausgebeuteten
peripheren ArbeiterInnen stellen eine eigene Klasse da, die durch
das Kapital ausgebeutet wird. An diesem Herrschaftsverhältnis
beteiligen sich die KernarbeiterInnen häufig dadurch, daß sie
der Spaltung der Arbeitenden Vorschub leisten und ihren eigenen
Vorteil auf Kosten anderer verfolgen. Von einer Solidarität
zwischen Arbeitenden kann daher heute keine Rede sein.
Arbeitende in rassistischen Produktionsverhältnissen werden
ebenfalls durch das Kapital überausgebeutet. Mit Überausbeutung
ist gemeint, daß das Kapital periphere, patriarchale und
rassistische Verhältnisse (Kolonien der ursprünglichen
Akkumulation) schafft, um unter deregulierten Arbeitsbedingungen
und unter Minimierung des variablen Kapitals ein Maximum an
Mehrwert auszupressen. KernarbeiterInnen, periphere ArbeiterInnen
und Arbeitslose beteiligen sich häufig an der Aufrechterhaltung
rassistischer Herrschaftsverhältnisse, da sie hoffen, dadurch
ihre eigene relativ bessere Situation aufrechtzuerhalten. Daher
stellen rassistisch Ausgebeutete eine eigene Klasse dar, die in
einem Ausbeutungsverhältnis zu Kapital und anderen
FördererInnen des Rassismus steht.
Ein weiteres Klassenverhältnis besteht zwischen Zentrum und
Peripherie, da einerseits über den Weltmarkt Armut in der
"Dritten Welt" generiert wird und andererseits der
Kapitalexport dazu führt, daß Mehrwert in den peripheren
Räumen produziert wird, der ins Zentrum zurückfließt.
Der Kapitalismus benötigt Milieus ursprünglicher Akkumulation,
die überausgebeutet oder ausgeschlossen werden, damit die
Kapitalakkumulation funktionieren kann und der Kapitalismus seine
Reproduktionsfähigkeit garantieren kann. Als solche Milieus
können die patriarchale und die rassistische Produktionsweise,
die Peripherie ("Dritte Welt"), die peripheren
ArbeiterInnen und die Arbeitslosen betrachtet werden.
Ausbeutung und Herrschaft funktioniert nicht einfach so, sondern
benötigt immer eine ideologische Legitimation, die im
kulturellen Bereich der Gesellschaft anzusiedeln ist.
Kapitalistisches Patriarchat legitimiert die Ausbeutung von
Frauen, indem diese naturalisiert werden. Es wird den Frauen als
inhärente und "von Natur aus" zukommende Eigenschaften
zugeschrieben, daß sie für Reproduktionsarbeit zuständig sind.
Die totalitäre Selbstverständlichkeit des Kapitalismus besteht
darin, daß gewisse Verhältnisse nicht hinterfragt werden,
sondern als selbstverständlich oder als Eigenschaften von Dingen
dargestellt werden. Es ist allerdings nicht selbstverständlich,
daß Frauen als Reproduktionsarbeitende ausgebeutet werden,
sondern Notwendigkeit des kapitalistischen Patriarchats für
dessen Reproduktion. Ideologische Zuschreibungen dienen der
Aufrechterhaltung der herrschenden Verhältnisse. Dabei zeigen
sich Dichotomisierungen wie Natur/Kultur, Hand- und
Reproduktionsarbeit/Technik, privat/öffentlich-politisch,
Geist/Körper, sanft/aggresiv, unterwürfig/dominant,
friedlich/kriegerisch-zerstörerisch,
lebensschöpfend/lebendsfeindlich,
kooperativ/wettbewerbsorientiert, einfühlsam/körperorientiert,
emotional/rational, kreativ/strukturierend,
intuitiv/logikorientiert, Liebe/Herrschaft,
zurückhaltend/risikobereit, ängstlich/mutig, dumm/intelligent,
hübsch/potent, sexy/männlich, naiv/selbstbewußt,
zurückhaltend/aggressiv etc.
Die Ideologie des kapitalistischen Patriarchats erzeugt derartige
Dichotomisierungen, um jeweils eine Seite als typisch männlich
und die andere als typisch weiblich darzustellen. Dies erfolgt in
Verbindung mit Naturalisierungen, dem von Donna Haraway so
genannten Genfetischismus. All diese Eigenschaften werden als in
den Genen von Männern bzw. Frauen befindlich dargestellt.
Tatsächlich entstehen sie jedoch aus sozialen Verhältnissen und
sind eigentlich nicht typisch männlich oder weiblich, sondern
werden dies nur durch eine konstruierte Zuschreibung, die
spezifische Zwecke erfüllen soll. Und dieser Zweck ist die
Kontrolle, Beherrschung und Ausbeutung weiblicher Körper. Um
Frauen an spezifische Territorien (vor allem den Bereich der
Haus- und Reproduktionsarbeit) zu binden, werden die
ideologischen Konstruktionen, Fetischismen und Naturalisierungen
benötigt, die diese Tätigkeiten als immer schon typisch
weiblich darstellen. Es wird als selbstverständlich dargestellt,
daß Frauen sich "wie Frauen" zu verhalten haben. Und
sich wie eine Frau zu verhalten, bedeutet dabei immer, den
Ansprüchen der Männer gerecht zu werden und sich ihrer
Kontrolle im Alltag, der Sexualität und der Ökonomie zu
unterwerfen.
Auch Michèle Barrett (1980/1997) betont die Bedeutung von
Ideologie bei der Konstruktion von Geschlecht und den Aspekt der
Verbindung zu den ökonomischen Verhältnissen durch die Rolle,
die die Ideologie in der Reproduktion der Arbeitskraft spielt.
Ideologie spiele eine wesentliche Rolle in der Unterdrückung von
Frauen. Barrett betont ein wechselseitiges Verhältnis von
kapitalistischer Ökonomie und Ideologie, um mechanistische
Basis-Überbau-Modelle zu vermeiden. Ideologie versteht sie als
eine Kategorie, die für Prozesse steht, durch die Bedeutung
erzeugt, herausgefordert, reproduziert und transformiert wird
(Barrett 1980/1997, S. 93). Gender sei eine sozial konstruierte
Ideologie, die helfe, die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
und die Reproduktionsarbeit aufrechtzuerhalten.
Im hier vorliegenden Ansatz wird davon ausgegangen, daß die
Produktion von Mehrwert an die Existenz von Milieus der
ursprünglichen Akkumulation - und daher auch an die
Reproduktionsarbeit als Form der Ausbeutung - gebunden ist.
Erwähnt werden soll jedoch auch, daß es
marxistisch-feministische Ansätze gibt, die von einer Trennung
von Wertproduktion und Reproduktionsarbeit ausgehen. So
formuliert etwa Roswitha Scholz (2000) eine
Wertabspaltungs-These: Die Entstehung des Werts durch abstrakte
Arbeit sei überhaupt nur möglich, indem das als typisch
weiblich konstruierte - Sinnlichkeit, Emotionalität, Hausarbeit
etc. - abgespalten, inferior gesetzt und als unbedeutend
ausgegrenzt wird: "Die Wert-Abspaltungsthese
behauptet nun [...] eine "Abspaltung" des Weiblichen,
der Hausarbeit etc. vom Wert, von der abstrakten Arbeit und den
damit zusammenhängenden Rationalitätsformen, wobei bestimmte
weiblich konnotierte Eigenschaften wie Sinnlichkeit,
Emotionalität usw. der Frau zugeschrieben werden; der Mann
hingegen steht etwa für Verstandeskraft, charakterliche Stärke,
Mut usw. Der Mann wurde in der modernen Entwicklung in mit
Kultur, die Frau mit Natur gleichgesetzt" (Scholz 2000, S.
9).
Wert und vom Wert Abgespaltenes seien dialektisch
vermittelt, eine Erfassung der Abspaltung durch die Wertkritik
sei nicht möglich. Zu den abgespaltenen Bereichen werden z.B.
Erotik, Sexualität, Liebe, Gefühle, Emotionen, Betreuung,
Pflege, Konsumtion und Haltungen gezählt. All diese Bereiche
würden sich der Warenform entziehen. Wert und Abspaltung würden
sich wechselseitig voraussetzen, seien also beide
Konstitutionsprinzipien warenproduzierender Gesellschaften.
Wir gehen davon aus, daß die durch Dichotomisierungen als
typisch weiblich konstruierten Eigenschaften und Tätigkeiten von
der Wertproduktion eine ideologische Dimension darstellen, die
benötigt wird, um die Wertproduktion und die ökonomische
Ausbeutung der Frauen als Reproduktionsarbeitende zu
legitimieren. Der Kapitalismus benötigt für seine Reproduktion
sowohl die patriarchale Produktionsweise als Milieu der
ursprünglichen Akkumulation als auch die ideologische
Konstruktion von weiblichen Typisierungen und deren Abwertung.
Reproduktionsarbeit schafft zwar keinen Wert, ist also keine
abstrakte, mehrwertschaffende Arbeit. Im Sinn von Marx kann sie
also unproduktive Arbeit gesehen werden. Die Mehrwertproduktion
ist allerdings vermittelt mit der Reproduktionsarbeit, sie
benötigt die Reproduktionsarbeit, um überhaupt möglich zu
sein. Insofern hat Scholz recht, wenn sie von einer
"Wertabspaltung" spricht. Allerdings ist dieser Begriff
irreführend, da er vermittelt, daß Wertproduktion und
Reproduktionsarbeit vollständig voneinander getrennt sind. Wir
sprechen nichtsdestotrotz von einer häuslich-patriarchalen
Produktionsweise der ursprünglichen Akkumulation, da hier immer
wieder von Neuem Gebrauchswerte und Dienstleistungen gratis
produziert werden. Und ursprüngliche Akkumulation bedeutet eben
auch, daß Frauen durch gesellschaftliche Zwänge, Kontrolle und
Gewaltanwendung dazu gebracht werden, immer wieder neue
Reproduktionsarbeit zu leisten. Durch die Technisierung des
Haushalts sollen Frauen immer mehr Reproduktionsarbeit in immer
kürzerer Zeit leisten, um die Reproduktion der Lohnarbeitenden
zu beschleunigen. Die Existenz von Milieus der ursprünglichen
Akkumulation bedeutet nicht, daß in ihnen notwendigerweise
Mehrwert geschaffen wird, sondern daß die Mehrwertproduktion
diese Milieus, in denen nahezu gratis Arbeit geleistet wird, für
den permanenten Reproduktionsprozeß des Kapitals benötigt.
Die politische Dimension des kapitalistischen Patriarchats
besteht darin, daß nicht nur ideologische Mittel zur
Aufrechterhaltung der Ausbeutung und Beherrschung von Frauen
eingesetzt werden, sondern daß auch konkrete Zwangs- und
Gewaltmittel die männlich dominierte Gesellschaftsordnung
aufrechterhalten helfen. Dazu gehören einerseits staatliche
Mittel wie Gewaltmonopol, Justiz, Polizei und Militär und
andererseits die männliche Gewalt gegen Frauen im öffentlichen
und privaten Bereich. Die staatliche Dimension zielt auf die
Aufrechterhaltung der herrschenden kapitalistischen Ordnung und
damit auch auf das kapitalistische Patriarchat als zu erhaltenden
Status Quo. Die private Dimension ist ebenfalls politisch,
physische, psychische und sexuelle Gewalt gegen Frauen soll deren
Disziplinierung und Unterordnung unter die herrschende Logik
sicherstellen. Die Agenten dieser Gewalt handeln aber nicht
bewußt "im Aufrag des kapitalistischen Patriarchats",
sondern werden wiederum durch ideologische Muster in ihrer
Sozialisierung derart geprägt, daß sie Gewalt gegen Frauen als
legitim empfinden.
Eine marxistische Kritik des Postmodernismus
Auf Basis einer solchen Konzeption des marxistischen
Feminismus und der Analyse des kapitalistischen Patriarchats kann
nun eine Kritik der bereits behandelten Ansätze des
postmodernistischen Feminismus erfolgen. Postmodernistische
TheoretikerInnen wie Judith Butler und Sadie Plant betonen als
politische Perspektiven vor allem eine Identitätspolitik, die
auf dem Repräsentationsfeld der Kultur stattfindet. Kultur wird
zum Repräsentationsfeld von Widerstand und Auflehnung, Politik
zur rein symbolischen Politik. Wurde dem Marxismus häufig ein
(sicher nicht zu rechtfertigender) Ökonomismus unterstellt, so
kann dem Postmodernismus ein Kulturalismus unterstellt werden,
der von der Notwendigkeit politischer Veränderung abstrahiert.
Sicherlich ist Kultur ein Feld politischer Auseinandersetzung.
Kultur ist politisch, kann politisch agieren und Politik hat eine
spezifische Form der Kultur. Problematisch ist jedoch die
Reduktion potentieller gesellschaftlicher Veränderung auf den
kulturellen Bereich.
Der postmoderne Feminismus konzentriert sich zu sehr auf
Identität und Kultur und läßt kapitalistische Widersprüche
und eine Klassenanalyse außer Acht. "Cultural and identity
politics replaced the early focus on capitalism and class
divisions among women" (Gimenez 1998).
Auch die marxistischen Feministinnen Rosemary Hennessy und Chrys
Ingraham kritisieren an Theorien der Postmoderne, daß diese
Klassen als wesentliche Strukturmerkmale des Kapitalismus außer
Acht lassen. Sie meinen, daß sich viele postmoderne
feministische DenkerInnen wie Donna Haraway als materialistische
Feministinnen bezeichnen (7),
daß ihre Ansätze aber nur als kultureller Materialismus gesehen
werden können, da sie sich fast ausschließlich auf Ideologie,
Staat, kulturelle Praktiken, Bedeutung und Repräsentation
beschränkten. "Cultural materialism rejects a systemic,
anticapitalist analysis linking the history of culture and
meaning-making to capital's class system" (Hennessy/Ingraham
1997a, S. 5). Kultureller Feminismus konzentriere sich auf die
kulturellen Aspekte patriarchaler Unterdrückung. Diese Art von
Feminismus nehme an, daß Frauenunterdrückung nichts mit den
materiellen Produktionsverhältnissen zu tun habe. Hennessy und
Ingraham zählen Donna Haraway explizit zu diesen
"kulturellen Feministinnen".
Zum Bereich der Kultur muß gesagt werden, daß Kultur als
Kulturindustrie eine wesentliche Funktion im Kapitalismus
erfüllt. Sie ist der ideologische Versuch, Ohnmacht und
Manipulation herzustellen. Aspekte der Kontrolle und Manipulation
durch Massenmedien wurden vor allem von der Frankfurter Schule
betont. Theodor W. Adorno meinte, daß sich der Kapitalismus
immer wieder selbst erhalten kann, sei u.a. Kontrollmechanismen
geschuldet.
Der Mensch in der Moderne identifiziere sich immer stärker mit
seiner Ausbeutung und Unterdrückung (Adorno 1970, S. 147). Die
Möglichkeiten der Flucht vor der Erfassung und Bestimmung des
Bewußtseins durch Kontrollmechanismen, so Adorno, schrumpfen
immer mehr. Die herrschenden Zustände hätten sich so weit in
die Menschen eingeprägt, daß diese kaum mehr fähig seien, jene
zu verändern. Der Mensch könne durch die soziale Kontrolle des
Geistigen nicht mehr Subjekt seiner Selbst sein. Eine besondere
Rolle spielt dabei für Adorno die Kulturindustrie:
"Automatisch sowohl wie planvoll sind die Subjekte daran verhindert, sich als Subjekte zu wissen. Das Warenangebot, das sie überflutet, trägt dazu ebenso bei wie die Kulturindustrie und indirekte Mechanismen geistiger Kontrolle. Die Kulturindustrie ging aus der Verwertungstendenz des Kapitals hervor" (Adorno 1970, S. 146).
In der "Dialektik der Aufklärung" widmen Adorno und
Max Horkheimer der Kulturindustrie unter dem Titel
"Kulturindustrie, Aufklärung als Massenbetrug" ein
eigenes Kapitel: Die Kultur im Kapitalismus werde immer mehr
Massenkultur und zeichne sich durch eine Eindimensionalität aus.
Alle Kultur sei unter dem Monopol des Kapitals identisch
(Adorno/Horkheimer, 1969, S. 128). Fernsehen, Rundfunk, Kino und
Unterhaltungsmusik seien nichts als "Schund",
"nichts [...] als Geschäft" (Adorno/Horkheimer 1969,
S. 129). Durch die so aufgebauten Kanäle der Herrschaft würde
nichts durchgelassen, das dem Begriff des Konsumenten
widerspreche. Adorno und Horkheimer sehen also die
Kulturindustrie als ein Medium für die Herstellung der
Einschränkung des Bewußtseins der Menschen, für die
Degradierung der Individuen zu Personen durch Manipulation und
Kontrolle und für die Zerstörung des Selbst.
Die Kulturindustrie halte die Menschen ohnmächtig. Bei diesem
Verfahren sei für jeden etwas vorgesehen, das ihn begeistern
kann. Die kulturindustriellen Erzeugnisse, so Adorno und
Horkheimer, erscheinen dadurch differenziert, seien aber immer
das ewig Gleiche in Form von Waren. Die Kulturindustrie
konfrontiere die Arbeitenden in ihrer Freizeit mit den von ihnen
selbst hergestellten Waren, um deren geistige Tätigkeiten zu
besetzen, d.h. zu bestimmen. Die Kulturindustrie verfüge über
ihre Konsumenten.
Auch der marxistische Philosoph Herbert Marcuse (Marcuse 1967)
argumentiert, daß die Unterbindung sozialen Wandels mittels
einer durch die Technik vermittelte politische und geistige
Gleichschaltung der Menschen für die fortgeschrittene
Industriegesellschaft charakteristisch sei. Ziel dabei sei,
sozialen Protest zu unterbinden. Die Individualität der Menschen
werde unterdrückt. Diese Gleichschaltung sei immer weniger mit
direkter Gewalt und Zwang verbunden, sondern eine
ökonomisch-technische. Andererseits geht Marcuse aber davon aus,
daß es durchwegs Kräfte gibt, die "die Gesellschaft
sprengen können" (Marcuse 1967, S. 17).
Diese eindimensionale Welt sei das Gegenteil von einer freien, da
eine solche eine Freiheit von ökonomischer und politischer
Kontrolle umfassen müßte. Erst dann wäre die Wiederherstellung
eines individuellen Denkens möglich. Freiheit im Sinn der freien
Auswahl aus einem breiten Spektrum aus Waren und Dienstleistungen
bedeute keine Freiheit, wenn diese Waren die soziale Kontrolle
aufrechterhalten.
Die Menschen würden sich in den Waren wiedererkennen, sie
würden für ihr Auto, ihren Hi-Fi-Empfänger oder ihr
Küchengerät leben (Marcuse 1967, S. 29). Durch die Manipulation
des Geistes mit Hilfe der Technik, der Massenmedien und der Waren
entsteht, so Marcuse, ein eindimensionales Denken und Verhalten:
"So entsteht ein Muster eindimensionalen Denkens und Verhaltens, worin Ideen, Bestrebungen und Ziele, die ihrem Inhalt nach das bestehende Universum von Sprache und Handeln transzendieren, entweder abgewehrt oder zu Begriffen dieses Universum herabgesetzt werden" (Marcuse 1967, S. 32).
Adorno, Marcuse und auch Debord (1978) vertreten die These,
daß im Kapitalismus die Manipulation der Realitätswahrnehmung
der Menschen ein wesentliches ideologisches Mittel zur
ungestörten Reproduktion der kapitalistischen Verhältnisse
darstellt, das vor allem über kulturelle Medien hergestellt
wird. Ist dies jedoch der Fall, so geht der postmoderne
Kulturalismus von Butler und anderen falsch in der Annahme, daß
Kultur ein bevorzugtes Feld gesellschaftlicher Veränderung sein
kann. Die Repräsentation von Differenz und Veränderung in
Warenform kann den Kapitalismus niemals transzendieren und ihn
nur beschränkt ernsthaft kritisieren. Kultur soll nicht ein
gewisser politischer Charakter, der auch eine emanzipatorische
Dimension haben kann, abgesprochen werden. Problematisch ist
jedoch die Reduktion von politischer Emanzipation auf die
kulturelle Repräsentation von Identität. Wir gehen im Gegensatz
zum Kulturalismus von einem Primat der politischen Emanzipation
aus.
Auch Nicola Field (1995/1997) betont, daß die logische
Konsequenz einer Identitätspolitik die Kommodifizierung
politischer Anliegen sei. Widerstand gegen Unterdrückung könne
nicht erkauft werden. Identitätspolitik würde die Wurzeln von
Unterdrückung und Ausbeutung ausklammern. Kritisiert wird
weiters, daß diese postmodernistische Form der Politik annimmt,
daß nur jene gegen Unterdrückung kämpfen können, die einer
spezifischen Gruppe angehören. Jene, die außerhalb stehen,
würden als unverbesserliche UnterdrückerInnen aufgefaßt. Dies
führe zu einem Separatismus (8).
Es käme zu einer reinen Lifestylepolitik, der Fetischierung und
Kommodifizierung von Identitäten.
Carole A. Stabile (1997) kritisiert, daß Identitätspolitik
vorschlägt, daß Identitäten wie Kleidungsstücke gekauft
werden können. Die Kommodifizierung von Lebensstilen und die
Vermarktung immer neuerer Konsumnischen (z.B. spezielle Musik,
Kleidung etc. für Homosexuelle oder angeblich durch kulturelle
Praktiken rebellierende Frauen - sogenannte Riot Grrls)
enstpringe aus der Globalisierung des kapitalistischen
Weltsystems. Typisch für postmodernistische Theorien seien
antiorganisatorische Vorurteile und die Idealisierung und
rebellische Stilisierung des Kulturellen.
Bei kulturalistischen Feminismen besteht die Gefahr, daß die
symbolische Politik dazu führt, daß der Kauf von Waren als
Symbol für gesellschaftliche Veränderung steht und diese auf
einer politischen Ebene außer Acht gelassen wird. Zwar
kritisiert auch Judith Butler (1990) Identitätspolitik in dem
Sinn, daß diese zu neuen Ausschlüssen führen könne, ihre
Alternative lautet allerdings wiederum Identitätspolitik im Sinn
einer kulturalistischen "Subversion" geschlechtlicher
Identitäten. Für die postmodernistische Identitätspolitik
läßt sich sagen, daß sie eben jene Dichotomisierungen, die die
kapitalistische Gesellschaftsformation auszeichnen und durch die
sich diese ideologisch reproduziert, nicht aufhebt, sondern unter
veränderten Vorzeichen neu setzt. Unterdrückte Gruppen beharren
dabei auf ihre Identität und Differenz, und es scheint nicht
mehr um die Aufhebung von Herrschaftsverhältnissen zu gehen,
sondern nur um eine Umkehr der Hegemonie - also lediglich um die
Schaffung neuer Herrschaftsverhältnisse.
Postmoderne Theoretikerinnen wie Haraway, Butler, Harding und Fox
Keller betonen zwar zu Recht, daß eine vollständige
Vereinheitlichung der Interessen und Ziele unterdrückter Gruppen
nicht möglich ist. Dies kann auch damit erklärt werden, daß
vereinheitlichende Herangehensweisen wie der Traditions-Marxismus
oftmals die Unterschiedlichkeit ausgebeuteter Gruppen nicht
ausreichend berücksichtigt und verschiedene Formen der
Ausbeutung als Nebenwidersprüche abgetan haben. Es muß
allerdings auch darauf hingewiesen werden, daß heute die
Emanzipation von Ausbeutung, Herrschaft und Unterdrückung nur
durch gemeinsame, vernetzte Aktivitäten aller ausgebeuteten,
beherrschten und unterdrückten Gruppen möglich erscheint. Im
postfordistisch ökonomisch globalisierten Kapitalismus ist
Widerstand nur als globalisierter Widerstand sinnvoll. Damit
verbunden ist die Vorstellung von sich global vernetzenden
emanzipatorischen sozialen Netzwerken. In Fuchs (2000) wurden
solche Formen des Protests und des Widerstands als rhizomatische
soziale Netzwerke bezeichnet. Wird wie in postmodernistischen
Theorien von einem Primat der Differenz ausgegangen, so
berücksichtigt dies die Notwendigkeit gemeinsamen Handelns
verschiedener unterdrückter Gruppen nicht ausreichend.
Bei der politischen und kulturellen Vernetzung können mehrere
Formen unterschieden werden (vgl. dazu ausführlich
Fuchs/Hofkirchner 2000). Eine imperialistische, die davon
ausgeht, daß ein Teil höhere und bessere Qualitäten als die
anderen Teile besitzt und daß sich daher die Aktivitäten aller
nach den Vorstellungen dieses sich als superior erachtenden Teils
richten müssen. Eine solche Herangehensweise bedeutet eine
Einheit ohne Vielfalt. Die typisch postmodernistische Form ist
eine dualistische, die die Differenz der Identitäten der
einzelnen Teile betont und daher gemeinsames Vorgehen für
unmöglich und als nicht wünschenswert erachtet. Dies bedeutet
eine Vielfalt ohne Einheit. Eine dialektische Position wäre jene
der Einheit in der Vielfalt: Das potentiell emanzipatorische
Subjekt ist heute nicht eine Klasse, sondern die globale,
vernetzte Einheit in der Vielfalt aller Klassen und
unterdrückten Gruppen.
Vernetzte, emanzipatorische soziale Bewegungen müssen nicht
homogene Interessen haben und auf eine Homogenisierung ihrer
Politik abzielen, um eine gemeinsame politische Perspektive zu
erlangen. Sie müssen auch nicht auf ein Zulassen aller
möglichen politischen Richtungen - ein anything goes - innerhalb
ihres rhizomatischen Netzwerkes hinarbeiten. Vielmehr können sie
eine dialektische Einheit in der Vielfalt betreiben, d.h. daß
sie einerseits die Unterschiede in ihren politischen
Herangehensweisen und Vorstellungen sowie in der Ausprägung in
ihren spezifischen lokalen und regionalen politischen Situation
betonen können und andererseits aber nichtsdestotrotz
gleichzeitig eine gemeinsame Perspektive entwickeln können,
indem sie das Verbindende betonen, herausarbeiten und als ein
Leitbild der politischen Praxis verwenden. Eine solche
Herangehensweise ist auch das Muster der dialektischen Form der
kulturellen Globalisierung, die sich von reduktionistischen,
projektionistischen und dualistischen Arten unterscheiden läßt.
Die Kulturwissenschaftler Steven Best und Douglas Kellner (1997)
sehen eine solche politische Position als Synthese von moderner
und postmoderner Politik. Es sei eine Einheit von
Herangehensweisen der "modernen Politik" wie die
Betonung von Solidarität, Allianzen, Konsens, universellen
Rechten und einer Makropolitik sowie von Herangehensweisen der
"postmodernen Politik" wie die Betonung von Differenz,
Pluralität, Multiperspektivität, Identität und einer
Mikropolitik notwendig. Eine solche Dialektik von Moderne und
Postmoderne könne bei der Lösung der großen politischen
Probleme fruchtbar sein.
Einheit in der Vielfalt bedeutet in Bezug auf emanzipatorische
Veränderung, daß sämtliche ausgebeuteten und unterdrückten
Klassen (wir können antagonistische Klassenverhältnisse
zwischen Kapital/Lohnarbeit, Kapital +
KernarbeiterInnen/peripheren ArbeiterInnen, Kapital +
Männern/Reproduktionsarbeitenden, Kapital + andere
FördererInnen des Rassismus/rassistisch Ausgebeutete,
Zentrum/Peripherie unterscheiden) und Gruppen eine gemeinsame
Perspektive eigentlich dadurch haben, daß ihre Beherrschung
spezifische Funktionen innerhalb des kapitalistischen
Weltgesellschaftssystems erfüllt.
Es wäre also notwendig, daß all diese Gruppen global ihre
Verbundenheit erkennen und darauf basierend eine solidarische
emanzipatorische Praxis entwickeln. Eine solche Einheit bedeutet
aber nicht Homogenisierung. Denn sehr wohl müßten die
unterschiedlichen Identitäten, Ziele, Erfahrungen und
Perspektiven der einzelnen Gruppen ausreichend berücksichtigt
werden. Hier ist die postmodernistische Differenz dann doch von
Bedeutung. Wird allerdings entweder Vereinheitlichung oder
Differenz total gesetzt, so ist das Resultat entweder
projektionistische Überheblichkeit oder postmodernistische
Separation und Zersplitterung. Notwendig wäre also eine
Dialektik von Differenz und Vereinheitlichung in der Möglichkeit
politischer Veränderung. So könnten Gemeinsamkeiten und
Differenzen von z.B. schwarzen FeministInnen, weißen
mitteleuropäischen LohnarbeiterInnen, Homosexuellen (9), Arbeitslosen, prekär Beschäftigten,
Reproduktionsarbeitenden, indischen Bäuerinnen, mexikanischen
Indigenas etc. gleichzeitig ausreichend berücksichtigt werden.
Knapp (1996) weist berechtigterweise darauf hin, daß die neue
Rechte den postmodernistischen Differenzdiskurs aufgreift, um
eine Differenz der Kulturen zu behaupten und rassistische
Separationen zu verlangen: "Zunehmend
beunruhigt und irritiert mich die Vereinnehmbarkeit des auch in
der feministischen Diskussion populärer werdenden
'Differenz-Denkens' durch rechte Politiker, die sich dabei [...]
auf die 'postmodernen Philosophen' beziehen. Wie beispielsweise
in einem Interview mit Armin Mohler, Bibliograph der sogenannten
Konservativen Revolution, REP-Parteigänger und Kolumnist der
Jungen Freiheit, mit dem Gründer der 'Nouvelle Droite' Alain de
Benoist, der [...] von der 'Anerkennung der Differenz' als
Grundelement einer rechten Kulturrevolution spricht" (Knapp
2000, S. 140f).
Roswitha Scholz (2000) betont als Kritik am postmodernen
Feminismus den Zusammenhang von Differenz-Denken und
Neoliberalismus: "In den letzten 30 Jahren
hat im Zuge einer umfassenden Computerisierung, Medialisierung
und auch Kommerzialisierung ein gesellschaftlicher Wandel
stattgefunden, der für gewöhnlich mit soziologischen
Begrifflichkeiten wie 'Individualisierung', 'Freisetzung aus
traditionellen (Geschlechts-)Rollen', 'Flexibilisierung von
Biographien', 'Pluralisierung der Lebenswelten und -stile'
umschrieben wird. 'Differenzen' - seien sie individueller,
'ethnischer' oder sexueller Art - gewannen in diesem Zusammenhang
vermittelt über die kulturell-symbolisch-ästhetische Dimension
zunehmend an Bedeutung. Postmoderne und poststrukturalistische
Konzeptionen reflektieren diese Entwicklung, allerdings nicht
kritisch [...], sondern ausgesprochen positiv" (Scholz 2000,
S. 6).
In welche Richtung die neoliberale Betonung von Differenz geht,
zeigt sich heute immer deutlicher: Massenarmut,
Massenarbeitslosigkeit, Nationalismus, Rassismus und eine
Prekärisiserung immer größerer Teile der Weltbevölkerung.
Zur Kritik an Donna Haraway muß gesagt werden, daß sie genauso
wie Sadie Plant technologisch deterministisch argumentiert. Von
einer technischen Entwicklung (in diesem Fall der
Entkörperlichung durch das Überschreiten der Grenzen zwischen
Mensch und Maschine) wird die Emanzipation vom Patriarchat
erwartet. Sie wendet sich zwar gegen den Fetischismus in Form des
Genfetischismus, argumentiert jedoch selbst
technikfetischistisch.
Technik ist die zweckmäßig orientierte Einheit der Mittel,
Verfahren, Fertigkeiten und Prozesse, die notwendig sind, um
definierte Ziele zu erreichen. Sie steht in jeder Gesellschaft in
einem wechselseitigen Verhältnis mit der Gesellschaft. Technik
ist daher wechselseitig vermittelt mit den Antagonismen des
Kapitalismus in Ökonomie, Kultur und Politik. Sie ist Medium und
Resultat dieser Widersprüche. Im Kapitalismus besteht eine
Umkehr der Zweck-Mittel-Relation: Es werden nicht mehr Zwecke
identifiziert, zu deren Erreichen Technik ein Hilfsmittel ist,
sondern Technik wird zum Selbstzweck. Ihr Hauptsinn besteht nun
in der effektiven Organisation der Kapitalakkumulation in Form
des technischen Produktionsmittels. Technik dient nicht mehr den
Menschen zur Erleicherung ihres Daseins und ihrer
Auseinandersetzung mit der Natur, sondern der effektiven
Ausbeutung der Arbeitenden (und dazu zählen auch die
Reproduktionsarbeitenden) durch das Kapital und der Produktion
des Mehrwerts. Sie ist im Kapitalismus Mittel der Herrschaft und
zur Produktion von Mehrwert und ist dadurch in die
Widerspruchhaftigkeit des Kapitalismus eingebunden. Im
Kapitalismus ist Technik Herrschaftsmittel und daher auch Mittel,
um die Kontrolle und Herrschaft über Frauen aufrechtzuerhalten.
Wenn Haraway die Gen-, Reproduktions- und Biotechnologien positiv
besetzt, so mißachtet sie den herrschaftsförmigen Charakter der
Technik in der kapitalistischen Gesellschaft.
Technikreduktionistische und -determinstische Argumentationen
ignorieren das wechselseitige Verhältnis von Technik und
Gesellschaft und betonen ausschließlich technisch induzierte
gesellschaftliche Veränderungen. Technik ist allerdings nur ein
Mittel, das angewendet wird, um bestimmte Interessen
durchzusetzen. Sie kann weder Emanzipation bewirken noch als die
Ursache von Frauenunterdrückung erachtet werden. Beides kann nur
aus sozialen Prozessen bzw. deren praktischer Aufhebungsbewegung
resultieren. Plant und Haraway mißachten dies und schreiben der
Technik an sich emanzipatorische Fähigkeiten zu. Emanzipation
ist allerdings eine soziale Herstellung der Freiheit von
Herrschaft. Resultat ist bei Haraway und Plant ein
verdinglichender Technikfetischismus. Technik wird in einer
patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft
patriarchal-kapitalistisch eingesetzt, dies ist ihr aber nicht an
sich inhärent oder fix eingebaut, sondern entspringt aus
sozialen Verhältnissen und aus dem wechselseitigen Bezug von
Technik und Gesellschaft aufeinander. Die Emanzipation von
bestehenden Verhältnissen bringt allerdings nicht automatisch
eine neue, am Menschen orientierte Technik mit sich, erstes ist
aber die Basis der Entwicklung von zweitem.
Als problematisch erscheint auch Haraways Bezug auf die
Actor-Network-Theory von Bruno Latour. Dieser Ansatz ist nämlich
ebenfalls ein verdinglichender, da technische Artefakte als
wissenschaftliche Akteure gefaßt werden, die gleichbedeutend mit
WissenschaftlerInnen seien. Wissenschaft wird damit verdinglicht,
Artefakte nicht mehr als aus sozialen Beziehungen resultierend,
sondern als Resultat von Beziehungen zwischen
"gleichberechtigten" Menschen und Dingen begriffen.
Zwar weist Haraway auch auf die Gefahren der Biotechnologien hin,
insgesamt gesehen setzt sie aber viel mehr Hoffnung als Kritik in
die neuen Technologien. Gefahren wie jene einer neuen Eugenik,
der Züchtung von willenlosem und besonders ausbeutbarem
Menschenmaterial oder der Schaffung einer neuen Dimension der
technisch vermittelten Beherrschung und Kontrolle von Frauen
werden eindeutig unterschätzt. Haraway verdreht die
Argumentation und meint, daß Gegner der Biotechnologien
möglicherweise rassistische Absichten hätten. Auf ihren Begriff
des situierten Wissens trifft genauso wie auf Hardings strenge
Objektivität und auf Fox Kellers dynamischen
Objektivitätsbegriff die formulierte Kritik an
postmodernistischen Differenzansätzen zu.
An Judith Butler kann kritisiert werden, daß sie einer
kulturalistischen Identitätspolitik das Wort redet, in der vor
allem DragkünstlerInnen als Subjekt der Veränderung gelten. Die
Subversion von Identitäten ist eben nur für eine kleine Gruppe
von Menschen möglich, eine gesellschaftliche Emanzipation von
Ausbeutungs- und Herrschaftsverhältnissen rückt dabei in den
Hintergrund. "Butler fails to illustrate how subversive,
'performative' acts might play an integral part in the lives of
anyone outside a minority of drag artists and extrovert
performers, used to shock tactics and making a statement"
(Young 1998).
"[Es] [...] spricht auch einiges dafür, daß die heutige Attraktivität des Transi-Seins viel mit der Verdrängung des grauen Krisenalltags und der damit zusammenhängenden düsteren Zukunftsaussichten zu tun hat" (Scholz 2000, S. 149).
Auch Sherry Turkle spricht von einer postmodernen Vielfalt der
Standpunkt und läßt mit dieser Betonung von Differenz die
bereits gemachten Einwände und die Notwendigkeit einer Einheit
in der Vielfalt außer Acht. Wie wir gesehen haben, entstehen
geschlechtsspezifische Identitäten im Kapitalismus durch
Ideologien, die Frauen bestimmte Eigenschaften zuschreiben und
damit deren Ausbeutung und Beherrschung legitimieren sollen. Auch
Turkle argumentiert technikreduktionistisch und -deterministisch,
wenn sie mit der Zunahme der Bedeutung des Cyberspaces die
Hoffnung auf ein flexibles Selbst verbindet. Eine Aufhebung
unterdrückerischer Identitäten kann nicht alleine durch ein
technisches Medium bewerkstelligt werden, sondern nur durch eine
Aufhebung bestehender gesellschaftlicher Verhältnisse in
Politik, Ökonomie und Kultur.
Sadie Plant muß sich wie Judith Butler den Vorwurf des
Kulturalismus und der Reduktion politischen Protests auf eine
symbolische Lifestylepolitik gefallen lassen. Auch ihre
Argumentation ist technikdeterministisch, da sie aus dem
dezentralen, vernetzten und antihierarchischen Charakter des
Internets gesellschaftliche Veränderungen in Richtung einer
selbstorganisierten und vom Patriarchat befreiten Gesellschaft
ableitet. Wir haben bereits gesehen, daß die Typisierung von
Frauen, d.h. die Zu- und Einschreibung spezifischer Eigenschaften
in weibliche Körper, im kapitalistischen Patriarchat ein Mittel
darstellt, um Frauen an bestimmte Territorien zu binden sowie um
ihre Ausbeutung, Kontrolle und Beherrschung zu legitimieren.
Plant betreibt ebenfalls eine solche Typisierung, wenn auch mit
verändertem Vorzeichen: Wurde traditionell Technik männlich
besetzt, um Frauen aus diesem Bereich herauszuhalten und um
Technik als Mittel der Kontrolle und Herrschaft
aufrechtzuerhalten, so dreht Plant den Spieß um: Technik,
Vernetzung und Dezentralisierung seien typisch weiblich. Solch
positiv besetzte Typisierungen des Weiblichen wurden auch im
radikalen Feminismus immer wieder benutzt, um auszudrücken, daß
eine "bessere" Gesellschaft eine an angeblich
weiblichen Werten orientierte sein müsse. Das Problem besteht
nun aber darin, daß die für bürgerliche Ideologien typischen
Dichotomisierungen nicht aufgegeben werden, sondern einfach nur
umgekehrt werden. Resultat könnte ein matriarchaler Kapitalismus
oder ein Femopatriarchat sein. Die vollständige Aufhebung des
kapitalistischen Patriarchats bedarf nicht nur grundlegender
politischer und ökonomischer Veränderung, sondern muß auch mit
einer Aufhebung der bürgerlichen Ideologien einhergehen, die die
herrschende Ordnung legitimieren helfen sollen. Gesellschaftliche
Veränderung muß also Einheit von ökonomischer, politischer und
kulturell-ideologischer Veränderung darstellen, um
emanzipatorisch wirksam zu werden. Typisierungen unter
umgekehrten Vorzeichen gehen über die bürgerliche
Ideologiebildung nicht hinaus.
Den hier kritisierten Ansätzen des postmodernen Feminismus ist
gemeinsam, daß sie Entkörperlichung als die Chance auf
Emanzipation aus patriarchalen Verhältnissen verstehen. Nicht
ausreichend berücksichtigt wird dabei, daß es im
kapitalistischen Patriarchat vor allem um Körperkontrolle geht.
Die Kontrolle der Körper von Lohn- und Reproduktionsarbeitenden
und StaatsbürgerInnen, um Ausbeutungs- und
Herrschaftsverhältnisse aufrechtzuerhalten. Daher sollten
Entkörperlichung und Biotechnologien nicht vorschnell als
emanzipatorisch betrachtet werden, indem die Einbettung in
bestehende politökonomische Verhältnisse vernachlässigt wird.
Es ist vielmehr angebracht, sich die potentiellen Gefahren der
Verschärfung bestehender Herrschaftsverhältnisse durch neue
Technologien und Veränderungen der Körperlichkeit des Menschen
anzusehen.
4. Technik und Entkörperlichung als Herrschaftsmechanismen
Wir haben bereits gesagt, daß Technologie heute
patriarchal-kapitalistisches Herrschaftsmittel ist. D.h. nicht,
daß Technik keine positiven Auswirkungen haben könnte, und es
bedeutet auch nicht, daß die Technik an sich ein Dämon ist,
sondern daß das dialektische Verhältnis von Technik und
Gesellschaft im kapitalistischen Patriarchat so eingesetzt wird,
daß Kontrolle über Beherrschte ausgeübt wird. "Als
Vermittler von Macht wird die Technologie [...] in jedem
Herrschaftssystem dazu entwickelt und benutzt, um die Interessen
derer, die oben stehen, zu fördern. Für uns Frauen heißt das,
wir müssen die Technologiefrage mindestens unter zwei
Gesichtspunkten untersuchen: unter dem Gesichtspunkt von Klasse
und unter dem Gesichtspunkt von Geschlecht als zwei schwer auf
uns lastenden Herrschaftssystemen" (Cockburn 1988, S. 17).
Technik ist heute typisch männlich besetzt, damit werden Frauen
aus höher qualifizierten Jobs und von der Kontrolle technischen
Wissens ferngehalten. Die Herstellung von Maschinen und die
Produktion des dafür notwendigen Wissens sind heute
hochqualifizierte Tätigkeiten. Frauen hingegen finden sich vor
allem in Berufen, die schlecht bezahlt sind, wenig soziale
Absicherung bieten und in denen am ehesten die Gefahr besteht, in
Armut oder prekäre Lebensverhältnisse abzurutschen. Sie sind
der technischen Kontrolle ihres Arbeitsvermögens in einem
höheren Ausmaß ausgesetzt als Männer, da letzte sich
verstärkt in hochqualifizierten und planenden Tätigkeiten und
im Management vorfinden. Frauen verrichten zumeist Arbeiten in
schlechter bezahlten und abgesicherten Berufszweigen, haben
innerhalb der einzelnen Zweige weniger Aufstiegschancen und
finden sich vor allem auf den untersten hierarchischen
Positionen.
Die kapitalistische Produktionsweise benötigt für ihre
permanente Reproduktion und für die Akkumulation des Kapitals
möglichst effektiv ausbeutbare Arbeitende. Je geringer der
variable Kapitalanteil, desto höher der zu erwartende Profit.
Daher ist es ein strukturelles Phänomen, daß Frauen durch
ideologische Zuschreibungen und Typisierungen schlechtbezahlte
und prekäre Arbeitsverhältnisse zugewiesen werden. Ein
liberaler Reformismus, der darauf abstellt, Frauen dieselben
Bildungs- und Aufstiegschancen wie Männern zu ermöglichen, muß
scheitern, da das kapitalistisches Patriarchat die Ausbeutung von
Frauen für seine Existenzweise benötigt. Ziel kann nur die
Auflösung der Herrschafts- und Ausbeutungssysteme sein, denen
Frauen und auch Männer ausgesetzt sind. Eine stärkere Teilhabe
von Frauen an der Ausübung von Herrschaft oder die Umkehr der
Herrschaftsverhältnisse kann nicht als emanzipatorisches Ziel
erachtet werden. Die Dequalifizierung und Prekärisierung
weiblicher Arbeit entspringt der kapitalistischen Logik.
Sally Hacker (1989) zeigt an Hand der Analyse des
Mondragon-Systems, daß es nicht ausreicht, Arbeit kooperativ und
mehr partizipativ zu gestalten, um patriarchale Arbeits- und
Herrschaftsverhältnisse aufzulösen. Vielmehr bedarf es zuerst
einer grundlegenden gesellschaftlichen Veränderung.
"Cooperative workplaces form part of a new democratic
society - but they cannot stand alone" (Hacker 1989, S.
138). Als adäquaten Weg in eine herrschaftsfreie Gesellschaft
sieht Hacker die Strategien des sozialen und feministischen
Anarchismus.
Emanzipation bedeutet nicht nur die Aufhebung sämtlicher
Herrschaftsverhältnisse (und damit auch des Patriarchats),
sondern auch die Aufhebung der ideologischen Typisierungen, die
Unterdrückte in ihren Positionen festschreiben und
naturalisieren helfen sollen. Die Aufhebung der Typisierung der
Geschlechter müßte also ein Ziel emanzipatorischer Praxis sein.
Um eine nichtpatriarchale Gesellschaft zu ermöglichen, darf
Männlichkeit nicht mit Technik, Produktion etc. und Weiblichkeit
mit Reproduktion, Hausarbeit etc. gleichgesetzt werden (oder
umgekehrt!). Die Aufhebung der ideologischen Komponente muß Teil
der Aufhebung der klassen- und geschlechtsspezifischen
Arbeitsteilung sein. Das Ende des Patriarchats ist nur in Einheit
mit der Auflösung von Geschlechtertypisierungen in unserem
Denken vorstellbar.
Steigen nun einige Frauen in höhere Positionen auf, so wird dies
nichts an der global prekären Lage der meisten Frauen
verändern. Frauen sind in Bezug auf die Produktion von und den
Umgang mit Technik nicht weniger geeignet als Männer.
Entsprechende Zuschreibungen, die aber das Gegenteil davon
behaupten, sind ideologische Dichotomisierungen, die die
Ausbeutbarkeit von Frauen sicherstellen und legitimieren sollen.
Die Kontrolle der Produktionsmittel ist eine Form von Macht, um
andere in Abhängigkeit zu treiben. Der Kapitalismus basiert nun
auf der exklusiven Kontrolle von Produktionsmitteln und
Ressourcen (und damit auch der Technik) durch das Kapital, um
Menschen in Lohnarbeitsverhältnisse zu zwingen. Damit sich die
Lohnarbeitenden nun reproduzieren können, existiert ein weiterer
Macht- und Kontrollmechanismus: Die Kontrolle des Arbeitslohns
durch den männlichen Lohnarbeiter, um Frauen in
Reproduktionstätigkeiten zu zwingen. Zwar sind immer mehr Frauen
heute berufstätig, dies bedeutet aber zumeist
Mehrfachbelastungen und prekäre Lohnarbeit gekoppelt mit
prekärer Hausarbeit.
Eine ideologische Funktion der Zuweisung von prekären Arbeiten
an Frauen besteht darin, daß Männer diese ählich wie
MigrantInnen als Konkurrenz am Arbeitsmarkt begreifen und häufig
die Wut über die eigene Situation nicht auf das
Kapitalverhältnis, sondern auf Frauen und MigrantInnen
projizieren.
Den Zusammenhang von Technik mit Klassen- und
Geschlechterverhältnissen betont auch Gomez (1994). Männer
würden die weibliche Hausarbeit auch über das Design von
Elektrogeräten kontrollieren. Diese Kontrolle würde sich in der
männlichen Kontrolle über den weiblichen Körper fortsetzen.
Die Kontrolle weiblicher Körper würde also u.a. durch
technisches Design sichergestellt. Als Beispiel dafür wird
genannt, daß viele Haushaltsgeräte so gestaltet sind, daß sich
Frauen bücken oder hinsetzen müssen, um sie zu bedienen.
"Technology presents itself as an instrument in the hands of
men that dramatizes and augments masculine supremacy" (Gomez
1994, S. 144).
Typisch für die kapitalistische Ökonomie sind zyklische Krisen.
Seit den 70ern kann aus vielfältigen Gründen von einer
Dauerkrise des kapitalistischen Weltsystems gesprochen werden.
Natürlich versucht das Kapital durch verschiedenste Maßnahmen
dem Fall der Profitraten entgegenzusteuern. Heute sind derartige
Maßnahmen die neoliberale Politik und eine flexible
Akkumulationsstrategie. Insgesamt gesehen führt dies zur
Deregulierung der Rahmenbedingungen der Kapitalakkumulation, zur
permanenten Schwächung der sozialen Absicherung der
Lohnarbeitenden und zum Ausbau prekärer Arbeits- und
Beschäftigungsverhältnisse. Frauen sind von der sich daraus
ergebenden Prekärisierung der Lebensverhältnisse immer
größerer Teile der Weltbevölkerung im besonderen Ausmaß
betroffen, da sie sich im Kapitalismus schon immer in sozial
besonders prekären Verhältnissen befunden haben.
Die Profitrate kann durch die Ausweitung von unbezahlter
Mehrarbeit erhöht werden. Traditionell wurde diese Arbeit von
Frauen erledigt, da ihre Arbeit als weniger wert gilt als
Männerarbeit. Die Krise des Fordismus ist eine Krise der
relativen Zunahme des Profits. Durch eine Schlechterstellung der
Arbeitenden und die Prekärisisrung immer weiterer Teile der
Arbeitsverhältnisse wurde vom Kapital der Versuch gestartet, die
Profitraten wieder zu erhöhen. Die Folge davon ist die für den
Postfordismus typische "Hausfrauisierung": Immer mehr
Beschäftigungsverhältnisse nehmen den Charakter von
Frauenarbeit an (schlecht oder gar nicht bezahlt, keine oder
schlechte sozialstaatliche Absicherung durch Sozialversicherung,
Arbeitsrecht und Kollektivvertrag).
Der neue Schub an ökonomischer Globalisierung, den wir heute
erleben, bedeutet nichts anderes, als daß Kapitalkosten durch
die Verlagerung von Produktionseinheiten eingespart werden
sollen. Und von der sich daraus ergebenden Überausbeutung in
äußerst niedrig bezahlten und schlecht abgesicherten
Arbeitsverhältnissen sind Frauen wiederum in einem
überproportionalen Ausmaß betroffen. I&K-Technologien
können als Medium und Resultat der ökonomischen Globalisierung
betrachtet werden, sie werden für eine Umstrukturierung des
kapitalistischen Weltsystems eingesetzt. Daraus ergibt sich der
Zuammenhang IKT-Globalisierung-Hausfrauisierung. Symptomatisch
dafür ist beispielsweise, daß europäische und amerikanische
Elektronikkonzerne bevorzugt in Asien produzieren. Und von der
Überausbeutung in diesen Weltmarktfabriken sind wiederum
vorwiegend Frauen betroffen.
Neue Technologien verbessern also nicht die soziale Situation von
Frauen im kapitalistischen Weltsystem, eher das Gegenteil ist der
Fall. "Ebensowenig wie die neue Technologie das
Klassenverhältnis zwischen Kapital und Arbeit grundsätzlich
revidiert - sie kennzeichnet vielmehr nur eine neue Phase
desselben -, ebensowenig revidiert sie die Verhältnisse
geschlechtsspezifischer Herrschaft" (Cockburn 1988, S. 225).
Die wesentliche Streitfrage ist nun, ob Informations-
Kommunikations-, Bio-, Gen- und Reproduktionstechnologie, die zu
einer immer stärkeren Entkörperlichung und Prothesierung
menschlicher Körper führen, Frauen von Reproduktionsarbeit,
Unfruchtbarkeit, ungewollter Schwangerschaft, monotoner
Lohnarbeit etc. befreien oder ob sie zerstörerisch wirken und
die Herrschaft über Frauen verstärken.
Die Annahme einer emanzipatorischen Wirkung findet sich nicht nur
bei Donna Haraway und Sadie Plant, bereits in den 70er-Jahren
argumentierte z.B. Shulamith Firestone (1975), daß eine
künstliche Gebärmutter für Frauen befreiend wirken würde, da
der biologische Unterschied zwischen Frauen und Männern an der
Unterdrückung von Frauen Schuld sei. Frauen müßten von der
"Tyrannei der Fortpflanzung" befreit werden.
Sehen wir uns nun Argumente in, die von KritikerInnen vorgebracht
werden, die den Aspekt von Entkörperlichung und neuen
Technologien als Verstärkung bestehender
Herrschaftsverhältnisse betonen.
Maria Mies (1995a) geht davon aus, daß Gen-, Computer und
Fortpflanzungstechnologie nicht für die Förderung menschlichen
Glücks entwickelt wird, sondern um durch die Kapitalisierung des
Körpers als Investitionsterritorium neue Profitmöglichkeiten
für das krisengeschüttelte Weltwirtschaftssystem zu schaffen.
Ein Fallen der Profitraten soll also durch das Erschließen neuer
Territorien der Kapitalakkumulation wie dem weiblichen Körper
kompensiert werden.
Es wurde bereits in der Einleitung darauf hingewiesen, daß die
Durchsetzung dieser neuen Technologien oftmals mit ideologischen
Konstruktionen zu rechtfertigen versucht wird. Es wird dabei
davon gesprochen, daß Unfruchtbarkeit, ungewollte
Schwangerschaften usw. durch diese Technologien beseitigt werden
können.
Es wurde ebenfalls bereits auf die Gefahr einer neuen Eugenik
hingewiesen, die dazu führt, daß z.B. behinderte Embryos durch
pränatale Eingriffe abgetrieben werden, da sie als
unwirtschaftlich gelten. Oder daß Alte, Schwache und Kranke
nicht behandelt werden, da sie als nicht mehr ökonomisch
leistungsfähig gelten. Die neuen Technologien sind mit der in
einer kapitalistischen Gesellschaftsordnung sehr realistischen
Gefahr verbunden, daß erwünschte Fähigkeiten und Eigenschaften
und unerwünschte definiert werden. Erwünscht sind dabei immer
jene, die die Akkumulation des Kapitals effizienter gestalten
helfen. Die Biotechnologie könnte nun eingesetzt werden, um die
"unerwünschten" Elemente zu selektieren.
Dies wäre eine Rückkehr zum Sozialdarwinismus. Diese von
Herbert Spencer im 19. Jahrhundert entwickelte Übertragung der
Darwinschen Evolutionsprinzipien von der Biologie auf die
Gesellschaft ging von der Überlebensfähigkeit der Stärksten in
sozialen System aus. Als Weiterentwicklung entstand die Eugenik.
Eigenschaften, die sich aus sozialen Beziehungen entwickeln,
wurden als in Genen codiert betrachtet. Darauf basierend wurde
zwischen höheren und niedrigeren Rassen unterschieden und
argumentiert, daß der Staat eine Selektionspolitik betreiben
müsse, um das Überleben und die Weiterentwicklung der höheren
Rassen zu garantieren. Im Faschismus kulminierte die Eugenik in
der Massenvernichtung von als "nicht lebenswertem
Leben" bezeichneten Menschen.
Die Gefahr einer neuen Eugenik kann nicht einfach als
Übertreibung abgetan werden, sondern besteht auf Grund der
Überlegungen, wie der Kapitalismus immer effizienter gestaltet
werden kann, tatsächlich. Techniken wie die vorgeburtliche
Diagnostik (z.B die Amniozentese -Fruchtwasseruntersuchung)
können sehr leicht in eine eugenische Richtung umschlagen.
Eugenikähnliche Herangehensweisen zeigen sich heute vor allem in
der Bevölkerungspolitik. Eine angebliche
"Überbevölkerung" und
"Bevölkerungsexplosion" in der "Dritten
Welt" wird für Armut verantwortlich gemacht. Dabei wird
davon abstrahiert, daß Armut ein gesellschaftliches Problem ist,
daß ganz wesentlich mit der globalen Dimension der
Kapitalakkumulation des kapitalistischen Weltsystems verschränkt
ist. Und es wird nicht berücksichtigt, daß heute genug für
alle vorhanden wäre, aber die kapitalistischen Eigentums- und
(Re-)Produktionsverhältnisse für eine ungleiche Verteilung
sorgen. Die Produktion von Armut wird quasi als genetisch bedingt
vorwiegend Schwarzen als inhärente Eigenschaft zugeschrieben.
Dieser Genfetischismus kann vor allem als ideologische Maßnahme
betrachtet werden, die dafür sorgen soll, daß die bestehenden
Herrschaftsverhältnisse aufrechterhalten werden. Die Bekämpfung
der Armut wird heute meist nicht als mit den polit-ökonomischen
Verhältnissen verschränkt begriffen, sondern es werden
bevölkerungspolitische Maßnahmen wie Zwangssterilisationen
gesetzt, um den Eindruck zu vermitteln, daß Schwarze an ihrer
Armut selbst Schuld sind. Solche Maßnahmen sind außerdem
rassistisch, da sie zu einer Dezimierung der dunkelhäutigen
Weltbevölkerung beitragen soll. Gleichzeitig werden die
großteils weißen Menschen in den Metropolen des
kapitalistischen Weltsystems zur vermehrten Fortpflanzung
aufgefordert. Bonussysteme sollen Anreize dafür schaffen.
Cyborgisierung, Prothesierung des Menschen sowie Gen- und
Reproduktionstechnologie können sehr leicht in Mittel zur
Förderung rassistischer und faschistoider Verhältnisse
umschlagen. Donna Haraway behauptet genau das Gegenteil:
KritikerInnen dieser Technologien wollten quasi "reine
Herrenrassen" schaffen. Tatsächlich besteht jedoch genau
die umgekehrte Gefahr, diese neuen Biotechnologien zur Selektion
unerwünschter und als minderwertig betrachteter
Bevölkerungsgruppen einzusetzen, um ein neues Herrenmenschentum
zu schaffen.
Eine weitere Dimension ist, daß durch die Schaffung und
Züchtung eines künstlichen Menschen versucht werden kann,
besonders leistungsfähige und willenlose Individuen zu klonen,
die umso ausbeutbarer durch das Kapital sind.
Der menschliche Körper ist im Kapitalismus grundsätzlich Ware,
da die lebendige Arbeitskraft die einzige Ware der Arbeitenden
ist. Sie werden durch ökonomische Verhältnisse gezwungen, ihren
Körper an das Kapital zu verkaufen und ihre Arbeitskraft gegen
Lohn zu tauschen. Dies ist ein struktureller kapitalistischer
Zwang, dem sich die Menschen unterwerfen müssen, um überleben
zu können. Weibliche Körper werden zusätzlich von Männern
häufig als ihr Eigentum betrachtet, mit dem sie wie mit einem
Ding umgehen können.
Das enge Verhältnis von Warenförmigkeit und Körper zeigt sich
im Kapitalismus z.B. auch an Hand von Prostitution und der
Schönheitsindustrie samt plastischer Chirurgie. Durch die
Fortpflanzungstechnologie bekommt die Kommodifizierung des
Körpers eine neue Dimension. In-Vitro-Vertilisation oder
Leihmutterschaft gehen von den Annahmen aus, daß der weibliche
Körper und seine Organe Waren sind. Der weibliche Körper
erhält so eine neue Dimension des Tauschwerts. Frauen sollen
ihre Organe verleihen oder verkaufen, ein menschlicher Körper,
der nun als von der Frau hergestelltes Produkt betrachtet werden
muß, tauscht sich gegen Geld aus. Die menschliche Fortpflanzung
wird damit weiter kommodifiziert. Nicht unrealistisch ist die
Negativvision von Frauen als Gebärmaschinen, die dafür bezahlt
werden, daß sie durch technische Eingriffe und Befruchtung mit
genmanipuliertem Sperma Kinder mit speziellen Fähigkeiten zur
Welt bringen. Dies würde bedeuten, daß die Frau zum
menschlichen Fließband wird. Eine andere Dimension davon wäre
die Vorstellung, daß arme Frauen Kinder für Reiche gebären.
Nicht unrealistisch ist, daß es dazu eigene Firmen gibt, die
Frauen als Lohnarbeiterinnen anstellen, diese für das Austragen
von Kindern bezahlen und damit Profit machen. Gena Corea spricht
von der Horrorvorstellung eines "Brutbordells".
"Today, women hire themselves out as surrogates and poor women and women in countries exploited by imperialism put their children up for adoption by people in core capitalist countries in a fashion suggestive of simple commodity production. The money received for their 'product' can be used to buy necessities for their family or other commodities and services they desire (C-M-C)" (Russell 1994/1997, S. 337).
"Ein Argument, daß gegen diese Definition des Körpers als Eigentum spricht, ist die Furcht, daß arme Menschen aus Not gezwungen sein könnten, ihre Nieren und andere Körperteile zu verkaufen" (Mies 1995b, S. 279).
Der menschliche Körper ist im Kapitalismus immer Ware, in solchen Vorstellungen wird er jedoch zur totalen Ware. "Capital has pushed itself into what was once thought to be one of the most intimate - even scred - of human activities: conception, gestation, and birth" (Russell 1994/1997, S. 329).
Fortpflanzungstechnologie wird zumeist als Fortschritt, der
Frauen mehr Wahlmöglichkeiten gibt sowie Erbkrankheiten und
Unfruchtbarkeit beseitigen hilft, angepriesen (10). Tatsächlich steigt der Druck auf Frauen,
perfekte Kinder zu gebären. Unfruchtbarkeit wird heute als
Krankheit definiert, die technisch beseitigbar ist. Tatsächlich
wäre es aber sinnvoll, die sozialen Komponenten der
Unfruchtbarkeit, die sich aus gesellschaftlichen Verhältnissen
ergeben, in Betracht zu ziehen. Dann würde nämlich nicht die
technische Machbarkeit im Vordergrund stehen, sondern ausgehend
davon, daß Unfruchtbarkeit nicht ausschließlich als biologisch,
sondern auch als gesellschaftlich bedingt begriffen wird, käme
es vor allem auch auf die Veränderung der gesellschaftlichen
Verhältnisse an, in denen sich Frauen beherrschen und ausbeuten
lassen müssen.
Russell (1994/1997) argumentiert, daß Kinder kriegen eine Form
konkreter Arbeit ist, da dabei Aktivitäten ausgeführt werden,
um definierte Ziele zu erreichen. Eine weitere Kommodifizierung
dieser Tätigkeiten sei nun dadurch gegeben, daß Sperma,
berfruchtungsfähige Eier, Leihmutterschaft etc. sich heute immer
häufiger gegen Geld austauschen. "[...] during in vitro
fertilization or surrogacy the relationship among the different
people involved is not direct. Parents, biological and social,
are brought into contact by the activity of technicians, agency
workers, and often lawyers. These services must be paid for. The
social character of the activity of joining egg, sperm, uterus,
surrogate mother, or future partents comes about through the
introduction of money" (Russell 1994/1997, S. 335f).
Die weibliche Fortpflanzung bekomme dadurch einen sozialen
Charakter, daß Menschen, die sich eigentlich nicht kennen, in
einen derartigen Austausch eintreten. Fortpflanzung werde dadurch
marktfähig und für den Kapitalismus adäquat. So werde
Fortpflanzung als weibliche Arbeit in Beziehung zu anderer
sozialer Arbeit gesetzt und erfahre eine Abstraktion.
Zusammenfassend schließen wir uns hinsichtlich der
Kommodifizierung des Körpers folgender Meinung Kathryn Russells
an: "The subsumption of childbearing labor into capitalist
market relations represents an extreme example of dehumanization
and alienation, and it may be laying the foundation for new forms
of exploitation".
Eine weitere Gefahr besteht darin, daß weibliche Körper als
Testlabor für biotechnologische Entwicklungen benutzt werden.
Vor allem Frauen, die in prekären Verhältnissen leben, oder
Frauen aus der "Dritten Welt" wären sicherlich bereit,
im Tausch gegen etwas Geld ihren Körper für derartige
Versuchszwecke zur Verfügung zu stellen, um ihre soziale
Situation zu verbessern. Ziel der Forschung wäre dabei, die
Kapitalakkumulation durch den Test an Menschen und die
Entwicklung neuer Technologien effektiver zu gestalten. Auch
Desinformationen könnten dabei eine Rolle spielen, indem Frauen
vorgetäuscht wird, daß gewisse Eingriffe in ihren Körper
sinnvoll sind, um bestimmte Limitierungen oder Krankheiten zu
beseitigen oder ihnen vorzubeugen. Die tatsächlichen
gesundheitlichen Risiken wären dabei allerdings nicht abzusehen.
FeministInnen bringen auch immer wieder das Argument vor, daß
die neuen körpermanipulierenden Technologien zur Enteignung des
weiblichen Körpers führen. Die Selbstbestimmung von Frauen
über ihren Körper werde durch gesellschaftliche Zwänge,
technische Eingriffe in die Körperlichkeit vornehmen zu lassen,
um bestimmte Vorgaben zu erfüllen (keine behinderten Kinder,
perfekte Kinder, Kinder für Unfruchtbare durch Leihmutterschaft,
In-Vitro-Vertilisation, künstliche Befruchtung etc.),
unterminiert. Jene, die für die neuen Fortpflanzungstechnologien
argumentieren, meinen jedoch genau das Gegenteil: das
Selbstbestimmungsrecht der Frau würde technisch erweitert.
Claudia von Werlhof (1996) argumentiert, daß es in der
Frauenbewegung um Befreiung vom Zwang zum Produktions- und
Destruktionswahn des Patriarchats, um die Herstellung einer
Souveränität der Frau ginge. Sie kritisiert FeminstInnen, die
ein Recht auf Abtreibung, Sterilisation, ein eigenes Kind oder
Beseitigung von Unfruchtbarkeit verlangen. Dies bedeute ein
Recht, den weiblichen Körper zu zerstören. Auch die
Durchführung dieser Tätigkeiten durch weibliche
Frauenärztinnen etc. verändere grundsätzlich nichts an der
Gewaltanwendung gegen Frauen, es handle sich nunmehr um Gewalt
von Frauen gegen Frauen. Es gäbe ein altes Frauenwissen in all
diesen Bereichen, das an der Stelle der Entwicklung immer neuer
Technologien wieder angeeignet werden sollte.
Die angeblich befreiende Entkörperlichung ist für Werlhof ein
neue Form des Leibeigentums, das Frauen an sich selbst anmelden,
um ihren Körper zu Kapital zu machen. Durch seine heutige
Warenförmigkeit werde der für Werlhof positiv besetzte
weibliche Leib (der der Ursprung des Lebens sei) zum
"Körper der gesellschaftlichen Herstellung, letztlich
industriellen Produktion von abstraktem 'Leben'" (Werlhof
1996, S. 89). Im Patriarchat sei es immer schon um Inbesitznahme,
Tötung, Kontrolle, Ausnutzung und Abtrennung des weiblichen
Körpers gegangen. Das Recht auf ein eigenes Kind bewege sich
innerhalb bürgerlicher Eigentumskategorien. Das Recht auf ein
eigenes Kind habe das "'Recht' des Kindes auf Trennung von
der Mutter" mit sich gebracht.
Judy Wajcman (1994) weist darauf hin, daß der weibliche Körper
in der westlichen Medizin als Maschine betrachtet wird. Frauen
waren daher schon immer das Hauptobjekt medizinischer Versuche
und Interventionen. Daraus können wir ableiten, daß die neuen
Technologien vor allem als Mittel der Kontrolle und Beherrschung
von Frauen verwendet werden.
Fassen wir kurz zusammen, welche Gefahren KritikerInnen der Biotechnologie beschreiben:
1. die Kapitalisierung des Körpers als Quelle des Profits, um die weitere Akkumulation des Kapitals zu garantieren und der andauernden ökonomischen Krise entgegenzuwirken
2. die Gefahr einer neuen Eugenik und der Selektion von ökonomisch nicht "leistungsfähigen" Individuen
3. die Gefahr der Züchtung besonders leistungsfähiger, willenloser und ausbeutbarer Individuen
4. die weitere Kommodifizierung weiblicher Körper
5. die Gefahr der Benutzung weiblicher Körper als Testlabor für biotechnologische Entwicklungen
6. die weitere Enteignung des weiblichen Körpers und der Fortpflanzungsfähigkeit
Radikalfeminismus und Ökofeminismus begreifen Technik oft als
inhärent patriarchal und fordern eine auf weiblichen Werten
beruhende Technik und Gesellschaft. So meint beispielsweise Maria
Mies (1995a): "[Fortpflanzungstechnologien] können [...]
niemals neutral sein, noch können sie frei sein von
sexistischen, rassistischen und letzlich faschistischen
Ideologien unserer Gesellschaft. Diese Ideologien sind in den
Technologien selbst verankert und sind nicht bloß eine Sache
ihrer Anwendung" (Mies 1995a, S. 268).
Technik wird von Mies als inhärent patriarchal begriffen, daher
spricht sie sich für eine Gesellschaft ohne moderne Technik aus,
die auf einer Subsistenzperspektive beruht. Regionale
Wirtschaftskreisläufe, die auf Selbstversorgung beruhen, seien
notwendig, um eine ökofeministische Gesellschaft aufzubauen.
Die der radikalfeministischen Argumentation entgegenstehende
Ansicht geht davon aus, daß Technologie an sich neutral ist.
Gen- und Reproduktionstechnologien seien u.a. eine Chance auf die
Bekämpfung der Unfruchtbarkeit, problematisch sei nur der
bestehende institutionelle Rahmen des Einsatzes (11).
Wir haben bereits erwähnt, daß beide Argumentationen als falsch
erachtet werden können. Technik ist weder neutral, noch
inhärent herrschaftsförmig. Mies' technikreduktionistische
Argumentation gleicht jener bürgerlicher Technikdämonisierer
wie Schelsky, Ellul, Freyer, Heidegger, Jünger oder Spengler,
die Technik an sich als das Problem erachteten, und ihre
Einbettung in gesellschaftliche Verhältnisse mißachteten.
Andererseits ist Technik aber auch nicht neutral und es ist nicht
erst ihre Anwendung entscheidend, denn dies hieße das jede
Technologie - z.B. auch Kriegstechnologie - positive und negative
Auswirkungen haben kann. Bereits der Prozeß der Technikgenese
ist von gesellschaftlichen Interessen strukturiert.
Es verhält sich nun vielmehr so, daß Technik und Gesellschaft
in einem wechselseitigen dialektischen Verhältnis stehen.
Technik entsteht durch gesellschaftliche Prozesse, wird durch
gesellschaftliche Interessen geprägt und wird als Mittel zur
Durchsetzung bestimmter Ziele und Interessen eingesetzt. Und
Technik kann auch unvorhersehbare Auswirkungen haben, die sich
aus ihrer Komplexität ergeben. Eine patriarchal-kapitalistische
Gesellschaft bringt eine patriarchal-kapitalistische Technologie
hervor. Insofern sind die Bedenken von Mies und anderen gegen
Gen- und Reproduktionstechnologien berechtigt. Dies heißt aber
nun eben nicht, daß Technik immer nur Herrschaftsmittel sein
kann. Sie ist dies im Kapitalismus, in einer
nichtkapitalistischen Gesellschaft wäre jedoch eine Technik für
den Menschen möglich, die ihm seine Existenz erleichtert. Die
Aufhebung des Kapitalismus und seiner Widersprüche ist eine
Basis dafür, jedoch keine hinreichende Voraussetzung. D.h., daß
nicht alle heute entwickelten Technologien automatisch in einer
anderen Gesellschaft positiv angewendet werden könnten. Es
bedarf ihrer Umgestaltung oder Neuschaffung entsprechend den
menschlichen Bedürfnissen.
Und gewisse Technologien wie die Kriegsmaschinerie oder die
Nukleartechnologie können niemals positiv eingesetzt werden, da
sie immer Zerstörung und große Gefahren mit sich bringen. In
einer anderen Gesellschaft müßte daher darauf verzichtet
werden. Wie ist dies mit den neuen Biotechnologien? Wie wir
gesehen haben, sind sie heute Herrschaftsmittel in einer
patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft. Wie wäre dies in
einer anderen Gesellschaft? Vorstellbar ist durchwegs, daß in
einer nichtkapitalistischen Gesellschaft bestimmte
Biotechnologien in eingeschränktem Ausmaß angewendet werden
(z.B. zur Beseitigung von Unfruchtbarkeit in speziellen Fällen),
nichtsdestotrotz würden die Gefahren dieser Technologien weiter
bestehen. Eine sorgsamer Schutz vor Mißbrauch und die
Unterbindung der Entwicklung der Forschung in eine
menschenfeindliche, antihumanistische Richtung müßten
unterbunden werden.
In der kapitalistischen Gesellschaftsformation ist ein solcher
Schutz nicht möglich, da es in letzter Instanz immer um die
Durchsetzung von Kapitalinteressen auf Kosten des Humanismus
geht. Das kapitalistische Patriarchat benötigt die Kontrolle und
Beherrschung von Frauen, Biotechnologie wird daher in einer
kapitalistischen Zukunft in diesem Sinn eingesetzt werden.
Entkörperlichung und technischer Eingriff in den Körper
entsprechen im Kapitalismus immer der Waren- und
Akkumulationslogik. Und diese ist einer menschenfreundlichen
Gesellschaft entgegengesetzt. Es bedarf also einer grundlegenden
Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse, um eine Basis für
eine am Menschen orientierte Technik zu schaffen. Technik ist
heute weder interessenneutral, noch ein inhärenter Dämon,
sondern eine Kategorie, die durch gesellschaftliche Mechanismen
kapitalistisch, patriarchal und rassistisch geprägt wird und
daher zu einem Mittel der Ausübung von Herrschaft geworden ist.
Eine Subsistenzperspektive wie bei Maria Mies würde nicht eine
Erleichterung des Lebens mit sich bringen, sondern harte Arbeit.
Ziel gesellschaftlicher Veränderung sollte jedoch auch die
Erleichterung des Daseins für die Menschheit sein. Und hier kann
eine am Menschen orientierte Technik eine wesentliche Rolle
spielen. Dies ist allerdings nur in einer am Menschen, und nicht
an Kapitalinteressen orientierten Gesellschaft möglich.
An KritikerInnen der Gen- und Reproduktionstechnologien wird
häufig kritisiert, daß sie oft mit essentialistischen
Zuschreibungen an Frauen operieren. Frauen würden von Natur aus
humanistisch, fürsorglich, pazifistisch sein, seien näher an
der Natur orientiert etc. Ziel sei dann eine an "weiblichen
Werten" orientierte Gesellschaft. Vor allem radikal- und
ökofeministische Ansätze argumentieren in dieser Art und Weise.
Vertreterinnen der radikalfeministischen Organisation FINRRAGE
(Feministisches internationales Netzwerk des Widerstandes gegen
Gen- und Reproduktionstechnologien (12)) betonten einerseits, daß Gen- und
Reproduktionstechnologien eine Form der patriarchalen Ausbeutung
weiblicher Körper darstellen. Andererseits sind bei einigen
dieser Vertreterinnen tatsächlich essentialistische
Argumentationen zu finden, die Frauen besondere positive
Eigenschaften zuschreiben. Z.B.: "Die Qualitäten der
Mutterschaft oder des mütterlichen Denkens stehen im Gegensatz
zu den destruktiven, gewalttätigen und selbstverherrlichenden
Eigenschaften von Männern" (Rowland 1986).
Auch Claudia von Werlhof (1996) argumentiert essentialistisch,
wenn sie davon spricht, daß Begriffe wie Natur, Staat, Leib,
Liebe, Politik und Mutterschaft heute neopatriarchal besetzt sind
und nicht matriarchal.
Dieser Essentialismus ist charakteristisch für den radikalen
Feminismus. Auch bekannte Vertreterinnen dieser Linie wie z.B.
Catherine McKinnon oder Andrea Dworykinare betonen die
Verschiedenheit von Mann und Frau und daß der einzige Weg aus
der männlichen Herrschaft über Frauen eine Separation sei. Es
wird dabei also von einer biologischen Unterschiedlichkeit von
Mann und Frau und einer sich daraus ergebenden Unterdrückung von
Frauen durch Männern ausgegangen.
Ein solcher Essentialismus ähnelt jenem von Sadie Plant, die
Technik als weiblich besetzt. Nun wurde aber bereits erläutert,
daß essentiatlistische Typisierungen des Geschlechts typisch
für die bürgerliche Gesellschaft sind. Sie erfüllen eine
ideologische Funktion, sollen die Beherrschung und Unterdrückung
bestimmter Gruppen legitimieren. Daher gelten MigrantInnen heute
vielfach als faul oder schmutzig, Frauen als an der Natur
orientiert, fürsorglich, mütterlich etc. All das wird mit Hilfe
eines Genfetischismus als natürlich dargestellt, um die
Beherrschung dieser Gruppen als selbstverständlich darzustellen.
Der feministische Essentialismus reproduziert nun diese
patriarchal-kapitalistischen Dichotomisierungen und
Zuschreibungen. In einer nichtpatriarchalen und
nichtkapitalistischen Gesellschaft müßten nicht nur die
verschiedenen Herrschaftsformen, sondern eben auch all diese
rassistischen, sexistischen usw. Typisierungen aufgehoben werden.
Indem Frauen wiederum bestimmte Werte und Eigenschaften als
"typisch weiblich" zugeschrieben werden und diese
Typisierungen positiv besetzt werden, indem gesagt wird, daß
eine bessere Gesellschaft an diesen "weiblichen Werten"
orientiert sein müßte, wird die bürgerliche Logik
reproduziert. Auf diese Art und Weise kann keine Transzendenz des
Kapitalismus erreicht werden. Es ginge heute vielmehr um die
Ablehnung jedes herrschaftsförmigen Denkens und daher auch um
die Ablehnung sämtlicher Typisierungen, da diese immer Basis von
Rassismus, Sexismus, Homophobie etc. sind. Der
geschlechtsspezifische Essentialismus mißachtet, daß Geschlecht
eine soziale Konstruktion ist und daß daher all die sich daraus
ergebenden Zuschreibungen nicht von Natur aus gegeben sind,
sondern ideologisch produziert werden und bestimmte
politökonomische Zwecke erfüllen sollen.
"[...] Der Glaube an eine unveränderliche weibliche Natur und deren Assoziierung mit Fortpflanzung, Wärme und Kreativität ist die Grundlage der traditionellen und unterdrückenden Konzeptionen von Weiblichkeit. [...] Wir sollten nicht auf irgendeiner inneren Essenz der Weiblichkeit als einer ahistorischen Kategorie bestehen, sondern müssen erkennen, wie sowohl 'Männlichkeit' als auch 'Weiblichkeit' gesellschaftlich konstruiert sind und fortlaufend rekonstruiert werden" (Wajcman 1994, S. 26).
Insgesamt gesehen können wir festhalten, daß Kritik an den neuen Technologien, die in die Körperlichkeit des Menschen (und dabei vor allem der Frau) eingreifen, äußerst angebracht ist. Wir leben in einer patriarchal-kapitalistischen Gesellschaft und daher ist nicht anzunehmen, daß diese Technologien innerhalb dieser Gesellschaft zu einer Emanzipation vom Patriarchat führen werden. Vielmehr verstärken sie bestehende Herrschafts-, Ausbeutungs- und Kontrollverhältnisse. Einem Technikdeterminismus, der von technischen Entwicklungen die Emanzipation aus Herrschaftsverhältnissen erwartet, wird eine Absage erteilt, da Emanzipation immer die aktive Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse voraussetzt. Genauso haben wir uns aber gegen eine grundsätzliche Dämonisierung der Technik gewandt, wie dies im Öko- und Radikalfeminismus des öfteren der Fall ist. Technik wird in einer herrschaftsförmigen Gesellschaft zum Mittel der Herrschaft, eine andere Gesellschaft wäre die Basis für eine am Menschen orientierte Technik.
Fassen wir die wichtigsten Ergebnisse kurz zusammen:
Fußnoten:
(1) In der Organisationstheorie wird es immer populärer, Organisationen als lebendig zu betrachten. Zurück
(2) Nur ein Beispiel dafür, daß die Apologeten der Vollautomatisierung mit aller Konsequenz die Ersetzung des Menschen durch die Maschine verlangen: Die Informationsverarbeitung erreichte "ihren übertriebenen Status dadurch, daß sie marginale Aufgaben automatisierte, die wir Schreibarbeit oder Papierkram nennen. Die Robotik wird auch alles andere automatisieren!" (Moravec 2000). Zurück
(3) Auf solche Argumentationen ist häufig das Gegenargument zu hören, daß dies ja heute schon ganz anders aussehen würde. Frauen seien emanzipiert und würden genauso arbeiten wie Männer. Es sieht heute tatsächlich anders aus als vor 30 Jahren: Mehr Frauen sind in Lohnarbeitsverhältnissen tätig und gleichzeitig für die Reproduktionsarbeit zuständig. Resultat davon sind Mehrfachbelastungen. Frauen verdienen noch immer viel weniger als Männer, haben weniger Aufsstiegschancen und werden früher gekündigt als Männer. Sie sind überproportional von Armut und prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen. Der liberale Ruf nach Gleichstellung innerhalb des Kapitalismus muß scheitern, da Kapitalismus eben immer auch kapitalistisches Patriarchat und damit ein Herrschafts- und Ausbeutungsverhältnis über Frauen bedeutet. Zurück
(4) Ein Bezug auf Joanna Russ Science Fiction-Roman "The Female Man" Zurück
(5) Maria Mies betont mit Bezug auf Maria-Rosa Dalla Costa, daß Frauen im dreifachen Sinn ausgebeutet werden: von den Männern, als Hausfrauen durch das Kapital und als Lohnarbeiterinnen (Mies 1996, S. 54). Zurück
(6) Zur Unterscheidung von Kernarbeitenden und peripheren Arbeitenden siehe Atkinson (1984, S. 14ff) und Atkinson/Gregory (1986, S. 14). Zurück
(7) In Haraway (1996) meint diese z.B., sie sei eine "unverbesserliche und hartnäckige Marxistin" (Haraway 1996, S. 350). Zurück
(8) "Separatism [...] is destructive because it alienates and overlooks the mass of potential allies and supporters who have a material and immediate interest in fighting all the forms of oppression which proceed from exploitation and divisiveness. Divisiveness, fragmentation, separation - all these are weaknesses which prevent any force for liberation from gaining strength in numbers" (Field 1995/1997, S. 266). Zurück
(9) Auch die Diskriminierung von Homosexuellen folgt einem typischen ideologischen Muster der bürgerlichen Gesellschaft. Nämlich der Zersplitterung der Gesellschaft in immer mehr potentielle Feindbilder und konkurrierende Gruppen, um spezifische Zwecke durchzusetzen. Die bürgerliche Gesellschaft schafft Stereotype von konstruierten "Anderen", in die der Haß und die Wut über die eigene Diskriminierung, Unterdrückung und Beherrschung von bestimmten Gruppen und Klassen projiziert wird. Zurück
(10) Z.B.: "Es geht darum, denjenigen zu helfen, die unfruchtbar sind, und Unfruchtbarkeit unter Kontrolle zu halten. [...] Die Forscher sind keine Ungeheuer, sondern Wissenschaftler. Es sind Mediziner, die mit ihrer Forschung auf ein großes menschliches Bedürfnis reagieren. Wir sollten stolz auf sie sein" (Pfeffer 1987, S. 81). Zurück
(11) Vertreterinnen solcher Positionen sind z.B. Michelle Stanworth und Rosalind Pollack Petchesky. Zurück
(12) Dazu zählen u.a. Maria Mies, Gena Corea, Robyn Rowland, Jalna Hanmer und Renate Klein.. Zurück
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Zum Autor:
Christian Fuchs; DI, geb. 1976, Informatiker und
Techniksoziologe; lebt und arbeitet in Wien;
Forschungs- und Interessensschwerpunkte: Technikphilosophie und
-soziologie, Technikfolgenabschätzung,
Information-Gesellschaft-Technik, philosophische und
sozialwissenschaftliche Implikationen der
Selbstorganisationstheorie,
Homepage Information und Selbstorganisation: http://stud4.tuwien.ac.at/~e9426503/
Zur Thematik soziale Selbstorganisation erscheint vom Autor 2001
ein Band unter dem Titel "Soziale Selbstorganisation im
informationsgesellschaftlichen Kapitalismus. Gesellschaftliche
Verhältnisse heute und Möglichkeiten zukünftiger
Transformationen".